Jugendliche Flüchtlinge: Die Stadt braucht dringend Hilfe

Junge Menschen werden auf der Kempener Wache vernommen und müssen vom Jugendamt betreut werden. Zahlen und Kosten steigen an.

Kempen. Das Problem mit der Inobhutnahme und Betreuung von minderjährigen Flüchtlingen, die ohne Begleitung von der Bundespolizei aufgegriffen werden, beschäftigt weiterhin das Jugendamt — und es wird immer gravierender. Im vergangenen Jahr waren es 34 Fälle, in diesem Jahr sind es bereits 99. Und auch die Probleme mit den Jugendlichen verschärfen sich. Jugendamtsleiterin Heike Badberg berichtete im Jugendhilfeausschuss von ersten „kiffenden und dealenden Jugendlichen“ sowie von „körperlichen Übergriffen“.

Für Michael Klee gibt es eine einfache Lösung: Die Bundespolizei sollte die Jugendlichen zum Jugendamt der Kommune bringen, in der sie auch aufgegriffen wurden. „Von den 99 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen sind nur zwei auf Kempener Stadtgebiet aufgegriffen worden“, erläutert Klee. Durch diese Regelung könnten die Lasten auf viele Schultern verteilt werden. Derzeit werden die Jugendlichen in Kempen untergebracht, weil die Bundespolizei eine Wache an der Schorndorfer Straße hat.

Auch ein Treffen im Ministerium in Düsseldorf im September brachte in dieser Frage keine Annäherung. Zwar gibt es vom Land einen Erlass, der die Richtung der Stadt einschlägt, aber die Bundespolizei fühlt sich in diesem Fall nicht an Landesregelungen gebunden und verfährt weiter wie bisher.

„Wir handeln nach den Vorgaben des Sozialgesetzbuches“, sagte Freitag Uwe Eßelborn, Sprecher der Bundespolizei, auf Anfrage der WZ. „Von der Kommune, in der der Gewahrsam ausgesprochen wird, sind die Jugendlichen unterzubringen.“ Und da die Aufgegriffenen erst auf der Kempener Wache vernommen würden, sei die Stadt zuständig. Damit habe die Stadt Straelen auch umgehen müssen, bevor die Bundespolizei 2011 von dort nach Kempen gezogen ist.

Das sei aber keine kommunale, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, betonte Klee: „Wir können diese Aufgabe mit unseren Möglichkeiten nicht mehr sinnvoll erfüllen.“ Man brauche professionelle Unterstützung — doch die fehlt.

Und die Probleme gehen noch weiter: Die Kostensituation ist zunehmend unsicher. Das Kempener Jugendamt strecke das Geld für die Unterbringung in sogenannten „Clearingstellen“ vor. So ein Platz koste bis zu 7000 Euro pro Monat, so Klee.

Doch die Erstattung durch das Landesjugendamt ziehe sich hin — bis zu acht, neun Monate. „Wir rechnen daher mit Ausgaben zwischen 1,5 und zwei Millionen Euro für das nächste Jahr“, sagt Heike Badberg. Dazu bleibe die Stadt auch weiterhin auf den Personalkosten sitzen, die durch die Aufnahme der Jugendlichen anfallen.

Die Stadt versucht Entlastungen für das Jugendamt zu finden. Die Zusammenarbeit mit dem SKM und der Pädagogischen Ambulanz, einer Inobhutnahmestelle in Kaarst-Büttgen, würde ausgeweitet. Besonders die Kooperation mit der Pädagogischen Ambulanz sei eine „Riesenentlastung“, so Badberg. In einigen Fällen wüssten die Mitarbeiter einfach nicht, wohin mit den Jugendlichen.

Außerdem versucht sich Kempen weiterhin bei Land und Bund Gehör zu verschaffen. Anfang des Jahres soll ein Treffen der Jugendämter in der Region in Kempen stattfinden. Ein Erfahrungsaustausch mit anderen betroffenen Städten soll aufrecht erhalten werden.