Kaldenkirchen: Buch - Jüdische Kindheit am Niederrhein
Fast 100 Jahre alte Aufzeichnungen aus Kaldenkirchen hat Historiker Leo Peters herausgebracht.
Kaldenkirchen. Wie war für einen hellwachen, scharfsichtig beobachtenden und früh schon seine Lebensumstände verarbeitenden jüdischen Jungen Ende des 19. Jahrhunderts das Leben? Darum geht es in dem Buch "Eine jüdische Kindheit am Niederrhein. Die Erinnerungen des Julius Grunewald (1860 bis 1929)".
Es ist ein packendes Stück Alltagsgeschichte der Juden in Kaldenkirchen. Deren Leben zwischen 1860 und 1880, der außerordentliche soziale Aufstieg von nur einer Generation zur Nächsten, wird verständlich und nimmt gefangen.
Wie spannend das Buch ist, machte bei der Vorstellung in der Sparkasse Kaldenkirchen der Lobbericher Buchhändler Hans K. Matussek deutlich: "Ich habe dieses Werk in nur einer Nacht regelrecht verschlungen, so spannend und gut lesbar ist es."
Eingeleitet, kommentiert und herausgegeben ist das Buch von Professor Dr. Leo Peters, der das Werk auch entdeckte. Der Historiker, der unter anderem die Stadtgeschichte seines Heimatortes Kaldenkirchen geschrieben hat: "Mit seiner hochgebildeten Frau Julie lebte Julius Grunewald ein Leben umgeben von äußerst intellektuellen Köpfen und voll größter geistiger Regsamkeit."
Das tat dessen eindringlicher Schreibe keinen Abbruch: Sie wirkt, als öffne sich ein glasklares Fenster in seine Lebenswelt. Eine Kostprobe, wie Grunewald soziale Befindlichkeiten seziert: "Die Familie ernährte sich von Pferde- und Viehhandel. Das war das Geschäft sämtlicher Juden am Niederrhein... Alle lebten schlecht und recht von der Hand in den Mund."
Grunewald weiter: "Unglücklich fühlte sich der Jude nicht. Mit den christlichen Nachbarn lebte er auf leidlichem Fuß. Man verachtete sich zwar innerlich gegenseitig, weil jeder die bessere Religion zu haben glaubte, aber im geschäftlichen und bürgerlichen Verkehr der kleinen Leute war das nicht erkennbar."
Das Buch ist in vier Teile gegliedert. Den Vorbemerkungen von Leo Peters folgen die Kindheits- und Jugenderinnerungen von Grune- wald, die er im Alter von 56 Jahren für seine Kinder und Enkel aufschrieb. Dem folgen in Auszügen Lebens-Erinnerungen seiner Frau Julie. Unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten wird das Buch durch Peters zum Lebensweg der Familie Grunewald und der Situation der Juden in Kaldenkirchen abgerundet.