„Libera Voce“ in Kempen „Libera Voce“ glänzt mit Schuberts „Winterreise“

Kempen. · „Libera Voce“ bewältigte die Schwierigkeiten des Arrangements glänzend. Dazu hinterließ Pianist Oleksandr Loiko einen ausgezeichneten Eindruck.

Als Solist überzeugte Bariton Andreas Elias Post (vorne).

Foto: Norbert Prümen (nop)

Sehr gut besucht war das Sonderkonzert mit „Libera Voce“ am Sonntagabend in der Kempener Paterskirche. Aber kamen deswegen so viele Zuhörer, weil ein einheimischer Chor auftrat, weil Franz Schuberts „Winterreise“ eine so ergreifende Komposition ist oder weil dieses Werk in einer ganz anderen Fassung als gewohnt zu hören war? Wahrscheinlich spielten bei diesem Konzert alle drei Aspekte eine Rolle.

Schubert schrieb die Vertonung der Gedichte von Wilhelm Müller für eine männliche Singstimme und Klavier. Das entspricht genau dem Textinhalt, der sich mit der verzweifelten objektiven und psychischen Situation eines einzelnen Menschen befasst. Nimmt man, wie jetzt in Kempen, noch einen Chor hinzu, drängt sich – wie natürlich bei jeder Bearbeitung – auch hier die Frage auf: Was kann der Chor in die künstlerische Gesamtaussage einbringen, was die Originalfassung nicht in gleichem Umfang leisten kann?

Natürlich sind hier mehrere Meinungen erlaubt. Versuchen wir eine differenzierte Stellungnahme, gewissermaßen eine künstlerische Gewinn- und Verlustrechnung. Verstärkt wurden in der Bearbeitung von Gregor Meyer nachdrücklich die dramatischen Aspekte des Liederzyklus. Weiter kam – dem Chor in der antiken Tragödie vergleichbar – ein reflektierendes Element ins Spiel, gewissermaßen ein Alter Ego des leidenden Menschen, das ihm sein Innenleben wie in einem Spiegel entgegenhält.

Vokale Echo-Effekte verstärkten das Gefühl von Verlorenheit

So verstärkte der Chor in der zweiten Strophe des Liedes „Am Brunnen vor dem Tore“ durch Echo-Effekte das Gefühl der Verlorenheit. Der Summchor in der ersten Strophe ließ sich noch als Fata Morgana einer Idylle deuten, die dann auch prompt in sich zusammenfällt. An anderen Stellen, etwa am Schluss im Lied vom Leiermann, bleibt der Einsatz eines Summchores letztlich wohl Geschmackssache.

Die Schwierigkeiten des Arrangements bedeuteten für den Chor eine große Herausforderung, die „Libera Voce“ glänzend bewältigte. Chorleiter David Nethen hatte nicht nur alles sehr gewissenhaft einstudiert, er bewährte sich auch als hochkonzentrierter, impulsgebender Gesamtleiter der Aufführung.

Als Gesangssolist bot Bariton Andreas Elias Post vor allem in den mittleren und tiefen Lagen eine überzeugende Leistung. Mit einem sehr schön gesungenen Solo gefiel Marie Angona. Schuberts Klavierstimme ist mehr als eine Begleitung. Als kompetenter, sensibler Pianist hinterließ der junge, 1993 in der Ukraine geborene Olek-
sandr Loiko einen ausgezeichneten Eindruck. gho

(gho)