Kirche: Gottes Gruß aus Australien

Eine abenteuerliche Reise vom anderen Ende der Welt haben sechs Figuren der Propsteikirche hinter sich.

Kempen. Manche Geschichten scheinen einfach zu unglaublich, um wahr zu sein. Nach mehr als einem halben Jahrhundert auf der anderen Seite der Welt sind sechs Kanzelfiguren an ihren Platz in der Propsteikirche zurückgekehrt. Sie zieren eine Gedenktafel, die an den Zweiten Weltkrieg erinnern soll. "Sie soll mahnen, damit solche schlimmen Dinge nicht wieder geschehen", erläutert Propst Thomas Eicker.

Die lange Reise begann 1945. Heute vor 62 Jahren traf eine Bombe den Pfeiler der Propsteikirche, an dem die neugotische Kanzel angebracht war. Schnell machten sich Helfer daran, St. Marien wieder aufzubauen.

Zum Dank überließ ihnen der damalige Propst Wilhelm Oehmen Trümmerreste. Unter den Freiwilligen war auch Schreiner Wim Goumans, der sechs Holzfiguren der zerstörten Kanzel sicherte. Aufgrund der schlechten Auftragslage nach dem Krieg wanderte der Schreiner mit seiner Frau Else nach Australien aus - im Gepäck die sechs Schnitzwerke.

"Durch Arnold Janssen sind wir auf die Stücke gestoßen. Der wusste von diesen Figuren in Melbourne", berichtet Heinz Wilhelm Wolters, ehrenamtlicher Mitarbeiter des Propstei-Archivs. Durch Janssen kam dann der Kontakt zur Witwe des 2005 verstorbenen Goumans zustande. Gerne überließ Else Goumans die Stücke der Pfarrgemeinde. Zusammen mit dem Architektenbüro Dewey und Blohm-Schröder, sowie dem Graphiker Thomas Dewey wurde eine Gedenktafel entworfen.

"Uns fiel auf, dass es zwar Gedenkstellen für den Ersten, aber keine für den Zweiten Weltkrieg gibt", berichtet Eicker. Ein Bild der alten Kanzel ist im Hintergrund der Tafel zu erkennen. Außerdem sind zwei Bibel-Zitate zu lesen, in Hebräisch und Griechisch. "Es soll eine Anregung sein, die Stellen nachzuschlagen: Ich verstehe es nicht, will es aber wissen und werde aktiv", so Architekt Gregor Dewey.

Auch Eicker ist überzeugt, dass diese Idee funktioniert: "Die Kempener sind ja wissbegierig." Ansonsten sei die 1,50 Meter hohe Stele schlicht gehalten, damit sie die anderen Kunstwerke der Kirche nicht überlagert. Angebracht wurde sie an dem Pfeiler, der die Kanzel trug. Neben der künstlerischen Bedeutung strahlen die Holz-Skulpturen eine große Symbolkraft aus. "Ein schöner Zufall, dass gerade diese Figuren erhalten geblieben sind. Mit Moses und Johannes sind Figuren aus dem Alten und dem Neuen Testament vertreten", stellt Wolters fest. Zusammen mit einem Zuhörer verkörpern diese beiden das Gute, während die Unterwelt von einem Teufel und zwei Drachen vertreten wird.

Figuren: Die sechs erhaltenen Kanzelfiguren zeigen Moses, den Evangelisten Johannes, einen Zuhörer, den Teufel, der sich die Ohren zuhält und zwei Drachen.

Figur + Tafel: Außerdem sind noch drei weitere Elemente der Kanzel erhalten: eine Trägerfigur und zwei Holztafeln. Die eine trägt das Wort "anno", die andere die Aufschrift "J. B. Kempen", die Initialen des Schreiners Johann Buyten, der die Kanzel gestaltet hat.

Cobbers: Diese drei Teile befanden sich im Besitz von Hannes Cobbers. Seine Erben stellten sie der Pfarrgemeinde als Leihgabe zur Verfügung. Nach Cobbers’ Wunsch soll das Holz in seiner derzeitigen Form erhalten bleiben. Daher sind die drei Teile nicht in die Gedenktafel eingebaut worden.

Bibelzitate: Ferner zieren zwei Bibelzitate die Tafel. In Hebräisch ist dort ein Vers aus dem Buch Deuteronomium zu lesen: "Höre, Israel, die Gesetze und Rechtsvorschriften, die ich euch heute vortrage. Ihr sollt sie lernen, auf sie achten und sie halten." Auf Griechisch ein Satz aus dem Johannes-Evangelium: "Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe."