„Königreich Kempen“ mit 136 000 Einwohnern
Die Kennzeichen-Debatte läuft — Historiker Hans Kaiser erklärt den früheren Kreis „KK“.
Kempen. Die Wiedereinführung des „KK“-Kennzeichens ist in aller Munde. Bei der Online-Umfrage der WZ wird eifrig geklickt: Mehr als 700 Leser haben schon auf die Frage geantwortet, ob sie das Nostalgie-Schild des früheren Kreises Kempen-Krefeld zurückhaben möchten. Die Politik auf Kreisebene befasst sich zum ersten Mal am Dienstag mit dem Thema. „KK“ steht auf der Tagesordnung des Kreisausschusses (18 Uhr, Kreishaus-Forum Viersen, Rathausmarkt 2).
Über das Kennzeichen sprechen viele Leute, über die Geschichte des früheren Kreises Kempen-Krefeld wissen aber nur wenige Bescheid. Der Kempener Historiker Hans Kaiser liefert in der WZ am Freitag die wichtigsten Fakten.
Am 5. April 1816 ist Kempen Kreisstadt geworden. Im Landratsamt an der Hülser Straße saß als Repräsentant der Regierung, als Chef der Kreisverwaltung, ein königlich-preußischer Landrat. Der leitete die Geschicke des Kreises Kempen, zu dem wiederum 14 Orte gehören: Dülken, Lobberich und Süchteln; Amern, Boisheim und Waldniel; Grefrath und Oedt, St.Tönis und Vorst; Hüls, St. Hubert, Tönisberg und Kempen.
Westlicher Nachbar ist der genau so alte Kreis Krefeld. Der umfasst hauptsächlich Gebiete, die heute zur Stadt Krefeld gehören wie Fischeln, Traar und Uerdingen sowie weitere Gemeinden am Rheinufer. Aus dem Bereich des heutigen Kreises Viersen gehören Anrath und Willich zu Krefeld. Viersen, Neersen und Schiefbahn liegen damals im Kreis Gladbach.
1928 zeichnete sich eine Neugliederung ab. Von den sechs Kreisen am mittleren Niederrhein (Gladbach, Grevenbroich, Kempen, Krefeld, Moers, Neuss) sollen nur noch zwei übrig bleiben. Das Ergebnis dieser Reform war völlig ungewiss. Mit Sorge blickte Kempens Landrat Hartmann-Krey auf die greif-lustigen Hände der benachbarten Großstädte Krefeld und Mönchengladbach. Die Sorge war unbegründet: Der Kreis Kempen soll fortbestehen, ja, er soll erweitert werden — denn die Entwicklung der Großstädte habe das gebotene Maß überschritten. Flugblätter geißeln den sittenverderbenden Einfluss des „Moloch Großstadt“ — womit das Industriezentrum Krefeld gemeint ist.
Der Verwaltungssitz blieb in Kempen. Die Landkreise Krefeld und Gladbach wurden 1929 aufgelöst. Unter Kempener Verwaltungshoheit kamen vom bisherigen Landkreis Krefeld die Gemeinden Anrath, Willich, Osterath, Lank, Latum, Ilverich, Ossum-Bösinghoven, Strümp, Nierst, Langst und Kierst. Die nächsten 46 Jahre trug dieser Gebietsverbund die Bezeichnung „Landkreis Kempen-Krefeld“.
Vom aufgelösten Kreis Gladbach erhielt er die Gemeinden Neersen und Schiefbahn, vom Kreis Moers den Schaephuysener Ortsteil der Bürgermeisterei Tönisberg und schließlich vom Kreis Geldern die Gemeinden Hinsbeck und Leuth. Damit ist die Zahl der Einwohner von 107 078 auf 136 827 gestiegen, und der Landkreis reicht vom Rhein im Osten bis zur niederländischen Grenze im Westen. Fürwahr, ein „Königreich Kempen“.
Für den größer gewordenen Kreis reicht das Kempener Landratsamt an der Hülser Straße nicht mehr aus; zusätzlich belegt die Kreisverwaltung seit Oktober 1929 den größten Teil der Kempener Landesburg. Die baut der neue KK-Kreis für 40 000 Reichsmark zum hauptsächlichen Verwaltungsgebäude um. Und: Seit 1956 tragen die Kreisbewohner das Kürzel „KK“ auf den Nummernschildern ihrer Autos.
Dann kommt eine zweite Kreisreform, und die gliedert den Landkreis zum 1. Januar 1970 neu. 32 Gemeinden unterschiedlicher Größe sind nun zu acht Großgebilden zusammengefasst. Die Stadt Kempen besteht neuerdings aus Alt-Kempen, Schmalbroich, St. Hubert, Tönisberg und Hüls. Zum Kreis Kempen hinzugekommen ist Viersen, vergrößert um Süchteln. Damit ist der Ort größer als Kempen, und ab dem 1. Januar 1975 heißt der Kreis nicht mehr Kempen-Krefeld, sondern Viersen. Am 31. Dezember 1974 wird das letzte KK-Kennzeichen ausgegeben. HK/tkl