Kempen/Kreis Viersen. Der Anbau am „Gunststandort“

Kempen/Kreis Viersen. · In einer neuen Serie beleuchtet die WZ verschiedene Aspekte der Landwirtschaft. Zum Auftakt spricht Kreisbauernchef Küskens unter anderem über die guten Böden der Region, aber auch über die Probleme für ortsansässige Landwirte.

 Paul-Christian Küskens äußerte sich zum Start der WZ-Serie zum Thema Landwirtschaft.

Paul-Christian Küskens äußerte sich zum Start der WZ-Serie zum Thema Landwirtschaft.

Foto: Reimann, Friedhelm (rei)

„Im Wort Landwirtschaft steckt Wirtschaft. Sie ist eine der fünf wichtigsten Branchen in der Bundesrepublik. Das wird oft vergessen“, sagt Paul-Christian Küskens. Der 57-Jährige weiß um die Sorgen, aber auch die Freuden des Berufsstandes. Aus eigener Erfahrung und aus seinen inzwischen acht Jahren als Vorsitzender der Kreisbauernschaft. Zum Auftakt einer neuen WZ-Serie rund um das Thema Landwirtschaft hatte die Redaktion Küskens zum Gespräch eingeladen.

Er selbst bewirtschaftet in Niederkrüchten einen Hof in dritter Generation mit Milchwirtschaft und Futteranbau. Eine vierte Generation wird es nicht geben. „Unsere Kinder haben sich für andere Berufe entschieden. Mein Sohn ist Tierarzt und meine Tochter Psychologin“, sagt Küskens, der 1986 seinen Landwirtschaftsmeister gemacht hat. Aufgrund eines fehlenden Nachfolgers sowie der Verbandsarbeit haben er und seine Frau den Betrieb bereits etwas zurückgefahren. Küskens gefällt es, sich einbringen zu können. Zunächst war er in der Ortsbauernschaft, dann im Vorstand der Kreisbauernschaft und dort seit 2011 Vorsitzender. Als Lobbyarbeit bezeichnet er seine Tätigkeit für die Bauern aus dem Kreis Viersen. Außerdem ist Küskens seit zwei Jahren Vizepräsident des Rheinischen Landwirtschaftsverbandes.

Die Landwirtschaft sei vielfältig. „In diesem Beruf hat man Bautätigkeit, Werkstattarbeiten, Maschinenwartung, mit Pflanzen und Tieren zu tun.“ Aber: „Viele wissen nicht mehr, was auf einem Hof passiert. Die Entfernungen sind immer größer geworden“, sagt Küskens. Damit meint er nicht nur, die Kinder, die nicht mehr wissen, wo die Milch herkommt. Sondern auch die reale Entfernung. „Früher gab es Höfe im Ortskern.“ Auch der Rückgang von Bauernhöfen im Bereich von zwei bis drei Prozent jährlich trage zur Entfremdung bei. Und er befürchtet einen „stärkeren Bruch“, wenn die Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse auf dem derzeitigen Niveau bleiben. „Und die geburtenstarken Jahrgänge gehen jetzt in Rente“, zählt er einen weiteren Punkt auf, der für einen Schwund an landwirtschaftlichen Betrieben verantwortlich sein kann.

Kempener Absatzzentrale ist ein wichtiger Faktor für die Region

Der Kreis Viersen sei aus landwirtschaftlicher Sicht ein guter Standort. „Wir haben frühen Gemüseanbau und die Absatzzentrale in Kempen, die den ganzen Discounter Lidl mit dem Gemüse aus der Region versorgt. Wir haben den stärksten Kartoffelanbau im Rheinland und nach der Pfalz die frühesten Kartoffeln“, zählt Küskens einige der Vorzüge auf. Er nennt den Kreis Viersen unter anderem deshalb einen „Gunststandort“. Auch wegen der „starken tierhaltenden Betriebe“; in der Milchwirtschaft komme der Kreis Viersen direkt nach dem Kreis Kleve. „Im Ostkreis sind wir sehr stark auf der Fläche mit der Obstproduktion und im Westkreis mit großer Intensität bei Bäumen.“ Erstaunlich sei, dass 75 Prozent der Höfe Haupterwerbsbetriebe seien. In Westfalen sei dies genau andersherum. Wichtig sei, dass auch kleinstrukturierte Betriebe ihr Auskommen hätten.

„Die Fläche ist ein knapper Faktor“, sagt Küskens. Eine Lösung sei, wenn zwei Betriebe zusammenarbeiteten. Beispielsweise einer mit Tierhaltung mit einem Ackerbau-Betrieb. „Ich stelle fest, dass das, was heute gefordert wird an Dokumentation, beispielsweise in der Tierhaltung, fast nicht mehr geregelt werden kann. Da wird dann der Ackerbau, den man vielleicht noch hat, torpediert“, sagt Küskens. Auch Maschinengemeinschaften seien sinnvoll. Aber die Fläche, die zur Verfügung stehe, sei gut. Vor allem die Kempener Platte sei eine „Sahneschnitte“. So sei der leichte Boden im Westen gut für frühes Gemüse und Spargel. Fläche spiele aber auch bei einem anderen Punkt eine Rolle: den Entfernungen, die einige Landwirte auf dem Weg zu ihren Feldern zurücklegten, die diese teilweise bis in den Kreis Heinsberg führten.

Die Branche sei ohne Frage vom Wetter abhängig. „Landwirte sollten gewohnt sein, mit dem Wetter umzugehen“, sagt Küskens. „Die kurzfristigen Vorhersagen sind relativ genau. Die langfristigen sind noch schwierig – vor allem für den Sommer. Wenn wir mehr wüssten, könnten wir den Ackerbau darauf einstellen.“ Dann könnten bei Dürre – so wie im vergangene Sommer – Pflanzen angebaut werden, die mit weniger Wasser zurecht kommen, wie zum Beispiel Mais oder auch Gerste.

Beim Thema Gentechnik tue er sich schwer, sagt der Landwirt. Mit fremden Genen veränderte Pflanzen lehnt er eher ab. Über die sogenannte Genschere ließe sich streiten. Dabei handelt es sich um eine biochemische Methode für die gezielte Bearbeitung von Genen bei Pflanzen, Tieren und auch Menschen. Wichtig sei es, mit einem „schnelleren Züchtungsgeschehen auf geänderte Bedingungen umzustellen“.

Bei Biogas und Gülle hätten die Bauern den Schwarzen Peter

Ob es stimmt, dass mittlerweile zu viel Mais für Biogasanlagen angebaut würde und somit kein Platz mehr für andere Kulturen sei? Die Politik habe sich für die Förderung von Biogasanlagen entschieden, die mit Mais betrieben würden. Damit habe man die Energiewende einläuten wollen. Die Bauern hätten nun den Schwarzen Peter, wenn sie diese Pläne umsetzten.

Auch bei der Gülle hätten die Landwirte diese ungeliebte Karte gezogen. „Es ist momentan frustrierend, dass die jetzige Gülleverordnung nicht mehr ausreicht und nun nochmal nachgelegt werden muss“, sagt Küskens. Das ginge bei den Betrieben an die Existenz. „Wir sind mit unserer Kooperationen mit den Wasserwerken auf einem gutem Weg. Die geplanten neuen Auflagen werden Kosten verursachen, die die Einnahmen wegbrechen lassen werden“, fürchtet er. Landwirte wüssten, welche Pflanzen Nitrat gut verarbeiten und somit ein Absinken ins Grundwasser verhindern. Außerdem benötigten bestimmte Pflanzen – wie Salat – Stickstoff, um eine gute Qualität zu erlangen. Kosten verursache auch die Auflage, besondere Fässer für die „Ausbringung und das Eingrubbern der Gülle anzuschaffen“. Die würden mit über 150 000 Euro zu Buche schlagen. „Sowas kann sich ein Betrieb mit 100 Kühen nicht mehr hinstellen. Deshalb gibt es schon Lohnunternehmen, die sich auf diese Transporte spezialisiert haben“, sagt Küskens.

Landwirtschaft werde es auch in Zukunft immer geben, sagt der Vorsitzende der Kreisbauernschaft. Die Agrarförderung sei Fluch und Segen zugleich. Man sei auf die Gelder angewiesen, die aber in Zukunft wohl nicht steigen würden. Die Frage sei jedoch: „Wo treibt uns die Politik hin?“

Landwirtschaft sei auf Wissenschaft aufgebaut. „Wenn Bauchgefühl aufkommt, wird es schwierig.“ Küskens nennt das Beispiel der mittlerweile oft eingeforderten Blühwiesen: „Wenn dafür bezahlt wird wie für Kartoffeln und Getreide, geht das für mich in Ordnung. Biodiversität muss bezahlt werden. Schließlich heißt es Landwirtschaft.“