Leidenschaft mit Zacken
Zum Großtauschtag kamen 100 Gäste. Die Philatelisten suchen Nachwuchs.
Kempen. Was haben Tiere, Medizin, Pfadfinder, die Olympischen Spiele und die Beethoven-Halle in Bonn gemeinsam? Von allen gab oder gibt es Briefmarkenmotive. Beim Großtauschtag des Kempener Philatelisten-Vereins, der am Sonntag im Haus Wiesengrund stattfand, erlebten rund 100 Besucher an 15 Ständen, was für ein vielfältiges und spannendes Hobby das Zusammentragen von Postwertzeichen ist.
Das weiß auch Stephan Heidenfels, der erste Vorsitzende der Briefmarkenfreunde Nettetal. Er sammelt französische Ansichtskarten aus den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. Darunter auch von Eugen Felle signierte Kunst-Karten.
Heidenfels widerspricht der Ansicht, dieses Hobby sei nichts für Frauen: „Meine Lebensgefährtin Petra von Loyen nennt rund 1200 Ansichtskarten mit Katzenmotiven ihr Eigen. Auch Exemplare des Kartenkünstlers Arthur Thiele sind dabei. Mich fasziniert am Hobby das gemütliche Beisammensein mit guten Freunden und das Fachsimpeln.“
Derweil durchforstet Theo Küppers an Heidenfels´ Stand die Postkartenbox mit Niederrhein-Themen: „Ich habe schon einen Brief von der Girmes AG gefunden, der an 4054 Nettetal adressiert ist.“ Küppers, ein gebürtiger Oedter, lebt heute in Süchteln und schwelgt in diesen heimatlichen Zeitzeugen aus Papier.
Die kunstvoll umgesetzte Ansicht des „Großen Gartens“ in Dresden ziert eine Karte von 1905. Dort ist zu lesen: „Liebe Lotte! Einen recht herzlichen Gruß sendet Dir Deine Lange. Wie geht Dir’s gut? Schreib recht bald einmal Deiner Irmgard.“ Es sind diese Geschichten, die das Sammeln so interessant machen: Was verbirgt sich zum Beispiel hinter dem Brief an die Stuttgarter Zeitung mit dem Betreff „Angebot Z 9306“? Gibt es den kunstvoll gestalteten Brief zur „Einweihung der Beethoven-Halle zu Bonn am 8. September 1959“ noch mit Orts- und Fernporto? Und in welchem Flugzeug wurde jener Brief transportiert, der den Titel „Flug des Olympischen Feuers nach Innsbruck — Olympia, Athen, Wien“ trägt?
„Das Sammeln ist eine Leidenschaft, die entspannt“, sagt Josef Jansen aus Dülken, der seine Sammlung verkaufen will. Von seinem Patenonkel bekam er einst das persönliche Sammelsurium mit Kriegsgefangenenpost aus der deutschen Kolonie „Kiautschou“ in China. Die Briefe stammen aus der Zeit um 1914, als deutsche Soldaten während des japanisch-chinesischen Krieges gefangen genommen wurden. „Damals war keine Kritik erlaubt. Alles wurde zensiert und vorabgelesen“, sagt Jansen. Davon zeugt auch der seitliche Klebestreifen der Zensurbehörde. Belege, Briefe und Karten mit Motiven aus Medizin, Kunst und Raumfahrt gab es anderswo. Briefmarken, so scheint es wohl, sind so bunt wie das Leben selbst.