Neues Netzwerk Allein leben mit Demenz: Ohne Unterstützung geht es nicht

Grefrath/Kempen. · Netzwerk will kreisweit die Betreuung alleinlebender Demenz-Patienten verbessern. Ehemalige SoNet-Leiterin übernimmt Schulungen.

Demenzkranke brauchen frühzeitig Hilfe, um in ihrer gewohnten Umgebung bleiben zu können.

Foto: dpa/Jens Kalaene

Für Nicole Geitner ist diese Begebenheit Beleg dafür, wie wichtig ein gut funktionierendes System der frühen Hilfen ist. Die Mitarbeiterin des Evangelischen Altenzentrums Oedt – gleichzeitig Ansprechpartnerin des Demenz-Netzwerks Grefrath – berichtet von einem älteren Mann, der vor einiger Zeit orientierungslos durch Oedt irrte. Passanten wurden auf den Senior aufmerksam und lotsten ihn zum Altenheim an der Oststraße. Da wollte der Mann zwar gar nicht hin, aber im Seniorenzentrum konnte ihm geholfen werden. Er wurde wieder in seine Wohnung im Ort gebracht. Was Nicole Geitner an dieser Geschichte besonders erfreut hat, ist die Anteilnahme und Hilfsbereitschaft der Anwohner. Ohne die wäre der Senior wahrscheinlich weiter umhergeirrt.

Anteilnahme, Hilfsbereitschaft und vor allem Sensibilität sind wichtige Voraussetzungen dafür, dass Menschen, bei denen die Leistung des Gedächtnisses rapide abnimmt, geholfen werden kann. „Insbesondere Alleinlebenden fehlt das, was ihnen Sicherheit, Geborgenheit und Halt gibt: die kontinuierliche Begleitung durch vertraute Menschen“, sagt der Gerontologe Helmut Wörner von der LVR-Klinik Viersen. Sie seien daher bereits in einer frühen Phase ihrer Erkrankung stark gefährdet und benötigten früh fachliche Hilfe.

Das Projekt wird von den Pflegekassen finanziell gefördert

Da sei es besonders wichtig, dass das Umfeld der Betroffenen mögliche Signale der Erkrankung erkennt, so Wörner. Allein lebende Menschen mit Demenz haben viele Berührungspunkte mit ihrem sozialen Umfeld. Sie gehen einkaufen, zur Bank, in die Apotheke, benötigen Handwerker oder andere Dienstleistungen. „In all diesen Begegnungen sind sie auf einen verständlichen Umgang angewiesen. Und das fällt nicht immer leicht“, sagen die Experten des neuen Demenz-Netzwerks im Kreis Viersen. Das bietet nun in Zusammenarbeit mit der Kreisvolkshochschule Schulungen für die Berufsgruppen an, die immer wieder Berührungspunkte mit Demenz haben. Das Ziel ist, hilfreiche Handlungsempfehlungen für einen sicheren Umgang mit den Betroffenen zu geben. „Denn vielfach werden Menschen mit Demenz als Belastung angesehen. Dabei ist es wichtig, dass sie möglichst lange weitgehend selbstständig in ihrem gewohnten Umfeld leben können. Da will das Netzwerk ansetzen“, sagt Katarina Esser, Gesundheitsdezernentin des Kreises Viersen.

In den einzelnen Städten und Gemeinden gibt es bereits zahlreiche Angebote und Initiativen für Senioren. Die arbeiten sehr erfolgreich, erreichen aber häufig nicht die Alleinstehenden, die an Demenz erkrankt sind. Auch diese Einrichtungen sind wichtig, um frühzeitig die Probleme der Betroffenen erkennen zu können. In Kempen gibt es beispielsweise seit vielen Jahren ein sehr gut funktionierendes Senioren-Netzwerk – kurz: SoNet. Hier werden Ehrenamtliche beispielsweise als Seniorenbegleiter geschult.

Die ehemalige Leiterin von SoNet, Ursula Frese, kümmert sich jetzt um die geplanten Schulungen des neuen kreisweiten Demenz-Netzwerks für Mitarbeiter aus dem Einzelhandel, von Apotheken und Banken. Die TeiInehmer sollen lernen, wie sie mit Demenzkranken umgehen und wie sie ihnen Hilfe vermitteln können. Ursula Freses große Erfahrung in der Altenarbeit wird bei den Schulungen, die für die zweite Jahreshälfte 2020 geplant sind, sicherlich zum Tragen
kommen.

Ein weiteres Projekt des Netzwerks ist der Aufbau von flächendeckenden Begegnungscafés, die auch für Menschen mit Demenz geeignet sind. Solche Angebote gibt es bereits vereinzelt. Sie laufen sehr erfolgreich. Aus Sicht der Beteiligten ist es erfreulich, dass das neue Netzwerk auf breite Zustimmung und Unterstützung des Kreises und der kreisangehörigen Städte und Gemeinden vertrauen kann. Ebenso erfreulich ist, dass die Pflegekassen das Projekt finanziell fördern. Pro Jahr soll es hierfür 20 000 Euro geben. rei