„Rechtsextremismus schleicht sich in Alltagssprache“
Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus werden aus Sicht von Klaus-Peter Hufer zu einem immer größeren Problem.
Kempen. Die Beschimpfung „Du Jude“ als eine Art Mode zu bezeichnen, kann Klaus-Peter Hufer so nicht hinnehmen. „Der Begriff ,Mode’ bagatellisiert das Problem. Die Beschimpfung ist vielmehr eine klare antisemitische Äußerung, die die Juden stigmatisiert“, sagt der Politkwissenschaftler aus Kempen nach der Berichterstattung in der WZ über einen offenbar wachsenden Antisemitismus unter Jugendlichen. Man sage ja auch nicht „Du Katholik“ oder „Du Belgier“. Erst in dieser Woche hat Hufer mit 80 Lehrern in Remscheid eine Fortbildung gemacht. Auch diese Pädagogen hätten festgestellt, dass diese Art der Beschimpfung immer häufiger vorkomme. Es könne durchaus sein, dass manche diesen Begriff vielleicht unbedacht äußerten. Doch „Du Jude“ sei beispielsweise ein gängiges Schimpfwort in der Hooligan- und Rechtsextremen-Szene.
Etliche Begriffe aus dem Rechtsextremismus hätten sich in die Alltagssprache eingeschlichen. Hufer: „Das ist eine Okkupation unserer Sprache, die zunimmt.“ Dazu zählt er auch den Begriff Heimat. Vor zehn Jahren hätte es eine Diskussion darüber nicht gegeben, heute gebe es bereits ein Heimatministerium.
Hufer hat gerade eine „kleine Forschungsarbeit“ erstellt. Darin bestätige sich, dass die Neue Rechte die Strategie der Metapolitik betreibe und für sich die kulturelle Deutungshoheit von Begriffen beanspruche (die WZ berichtete). Und man könne durchaus Vergleiche zur Entstehung des Nationalsozialismus ziehen. Denn die Neue Rechte hole sich ihre Leitfiguren und Vorbilder aus der Weimarer Republik. „Die sind unter anderem Martin Heidegger oder Oswald Spengler“, so Hufer.
Die Übergänge seien fließend, erklärt der Politologe. So habe die Neue Rechte den Begriff der „Konservativen Revolution“ wieder eingeführt. (Er wurde 1950 von dem rechtsgerichteten Publizisten Armin Mohler eingeführt, der damit nach dem Krieg die deutsche Rechte vom Nationalsozialismus reinwaschen wollte, Anm. d. Red). Eine „Konservative Revolution“ hatte CSU-Politiker Alexander Dobrindt kürzlich gefordert. Hufer: „Da war er noch Verkehrsminister. Wenn er wusste, was er da sagte, ist das schlimm. Denn die konservative Revolution war eindeutig eine antidemokratische Bewegung.“
In Kempen gebe es vielleicht keine „elementaren Ereignisse“ an Antisemitismus. Doch vor ein paar Tagen habe er beispielsweise einen Sticker, der eindeutig aus der rechten Szene stammte, aber so nicht klar zu erkennen war, von einem Laternenpfahl entfernt.
„Kempen ist ein Teil der Bundesrepublik Deutschland. Warum sollte es hier nicht so sein wie im Rest der Republik?“, fragt Hufer. In dieser sei der Rechtsextremismus klar in den östlichen Gebieten verbreitet. Aber: „NRW hat Spitzenwerte — auch wenn man die Bevölkerungszahl mit einbezieht — an Übergriffen, die der rechten Szene zugeordnet werden können.“ Hufer spricht von ganzen Stadtvierteln, in denen sich rechtes Gedankengut verbreite. Als Beispiel nennt er den Dortmunder Stadtteil Dorstfeld.
Neben dem offensichtlichen gebe es aber auch noch die Subkultur. Hufer: „Wir wissen nicht, was sich im Internet und in den sozialen Medien abspielt. Denn das, was da passiert, wird nicht offiziell ausgetragen.“
Morgen möchte die „Redaktion vor Ort“ von Ihnen wissen, wie Sie zu dem Thema stehen. Haben Sie schon Situationen erlebt, in denen Juden diskriminiert wurden? Oder finden Sie die Diskussion übertrieben? Vielleicht möchten Sie aber auch wissen, was Sie tun sollen, wenn Sie an rechte Parolen geraten oder Antisemitismus erleben. Da kann Ihnen sicherlich Klaus-Peter Hufer helfen. Denn er wird mit der WZ vor Ort am Freitag auf dem Buttermarkt (Martins-Denkmal) stehen. Und zwar von 11 bis 12 Uhr. Sollten Sie keine Zeit haben, vorbeizukommen, können Sie uns gerne eine E-Mail schicken:
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