Selbstvertrauen für kleine Tiger

Kung Fu und Kickboxen sind zwei Sportarten, die sich bei Kindern mit Lernstörungen positiv auswirken. Die Kampfkunst- & Charakterschule Richter kann auf gute Erfahrungen blicken.

Foto: Kurt Lübke

Kempen. „Konzentrieren“, gibt Andrea Schnell vor und lächelt Giuliano zu. Der Vierjährige peilt den Pappbecher auf der Pratze (Schlagpolster) an, die Schnell ihm hinhält. Eine Sekunde später fliegt der Becher gezielt weggetreten von der Pratze und Giuliano strahlt. Hüpfend geht es danach über die am Boden liegende Koordinationsleiter. „Mit der Leiter trainieren wir unter anderem den Gleichgewichtssinn, Motorik und Koordination“, erklärt die Trainerin und Inhaberin der Kampfkunst- & Charakterschule Richter.

Es ist dienstags und die Kleinen Drachen bevölkern den großen Raum des Kempener Tanztreffs. Der hat sich mittels blauer und roter Matten in ein Zentrum für Kung Fu verwandelt. Jeden Dienstag steht Kung Fu auf dem Stundenplan und jeden Mittwoch Kickboxen. „Aber bald sind wir in eigenen Räumlichkeiten. Nach langer Suche haben wir auf dem Industriering Ost 81 die passende Location gefunden“, freut sich Nicole Zieseniss, Mitinhaberin der Kampfkunstschule.

Seit zwei Jahren bieten die beiden Frauen Kindern und Jugendlichen sowohl Kung Fu wie auch Kickboxen in den Kategorien Kleine Drachen bzw. Kleine Tiger, Kids und Teens an. Aber das mit einem besonderen Trainingskonzept, das insbesondere Kinder mit Lernstörungen wie zum Beispiel ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) oder LRS (Lese-Rechtschreibschwäche) anspricht. Die positiven Auswirkungen des gesamten Trainings, bei dem Motorik, Gleichgewicht, Koordination und Ausdauer trainiert werden, spiegelt sich im Alltag der Kinder und Jugendlichen wider.

Zudem haben Schnell und Zieseniss ein besonderes Konzept aufgebaut. Sie arbeiten mit Erfolgskarten und sieben Werten, zu denen Respekt, Disziplin, Aufmerksamkeit, Mut, Kontrolle, Motivation und Anerkennung gehören. „Jeder Wert hat einen farbigen Streifen, den sich die Kinder erarbeiten. Auf den Erfolgskarten wird das Vorankommen festgehalten. Das stärkt wiederum das Selbstvertrauen“, sagt Zieseniss, die aktuell selbst in einer weiteren Fortbildung für das Sozialtraining bei ADHS sowie Lern- und Verhaltensschwierigkeiten steckt.

An den Start ging die Kampfkunst- & Charakterschule Richter im Mai 2015. „Wir hatten beide vorab als Mitarbeiter in verschiedenen Kampfkunstschulen gearbeitet. Unser Wunsch war es immer, unser eigenes Konzept umzusetzen. Als wir die Räume im Kempener Tanztreff anmieten konnten, haben wir uns entschieden zu starten“, erinnert sich Zieseniss, die gelernte Sport- und Fitnesskauffrau ist.

Mit Schnell steht den Schülern indes eine mehr als nur erfahrene Trainerin zur Seite. Sie ist seit 30 Jahren im Kampfsport in den Bereichen Kung-Fu und Kickboxen tätig. In beiden Kampfkünsten verfügt die mehrfache Europa-Meisterin und Weltmeisterin von 2012 über den zweiten Dan. Aus Respekt und Loyalität zu ihrem Si-Fu, Jens Richter, fiel die Entscheidung für den Namen „Kampfkunst- & Charakterschule Richter“. Mit im Trainerboot ist ihre 15-jährige Tochter Kerstin, die den Teenager-Schwarzgurt trägt und zahlreiche Turnier-Erfolge für sich verbuchen kann. Vor kurzem war die Familie Schnell bei der Weltmeisterschaft der WKU (Word Kickboxing ans Karate Union) in Irland, wo der neunjährige Sohn Nico auftrumpfte. Er holte sich in seiner Kategorie die Silbermedaille.