Statement gegen Hass und Gewalt
Hans Kaiser sprach über die erste Deportation der Kempener Juden im Jahr 1941.
Kempen. „Judenfeindlichkeit im Nationalsozialismus — ein Thema über das man hier nicht so gerne spricht und wenn man es tut, dann in einer sehr allgemeinen oder beschönigenden Weise.“ So begann gestern Hans Kaiser seinen Vortrag in der Aula der Erich Kästner Realschule anlässlich der ersten Juden-Deportation in Kempen vor 70 Jahren.
Der pensionierte Lehrer für Deutsch und Geschichte hat es sich zur Aufgabe gemacht, über die damaligen Geschehnisse aufzuklären. Kaiser: „Den Geschichtsverdrehungen, die heute von Neonazis verbreitet werden, muss der Boden entzogen werden.“
11. Dezember 1941: Sechs jüdische Frauen, fünf Männer und ein Kind werden von Kempener Polizisten die Burgstraße entlang zum Bahnhof geführt. Dort wartet der Schluff, mit dem die Verhafteten nach dreitägiger Fahrt Riga, die Hauptstadt Lettlands, erreichen. In einem Lager sollen sie unter unmenschlichen Bedingungen leben und arbeiten. Nach dem Krieg kehrt nur einer von ihnen zurück.
Wie konnte es dazu kommen? Die jüdische Gemeinde in Kempen lässt sich bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgen. Sie dominierte das Geldgeschäft und hat sich um die Stadt verdient gemacht. Trotzdem führten religiöse Vorurteile und wirtschaftlicher Neid zur Vertreibung der jüdischen Einwohner. Erst als die Soldaten der französischen Revolution 1794 den Niederrhein besetzten, war man gezwungen den Juden die Niederlassung wieder zu gestatten.
Mit der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 änderte sich das. Schaufensterscheiben wurden mit antisemitischen Parolen beschmiert. Ab 1935 wurde an der Heilig-Geist-Kapelle das wöchentliche Hetzblatt „Der Stürmer“ ausgehängt. Die Geschehnisse in der Reichspogromnacht 1938 bilden den Höhepunkt des Judenhasses. Kempener Bürger zerstörten neben jüdischen Geschäften auch die Synagoge an der Umstraße. Am selben Abend führte der Martinszug an den Trümmern vorbei.
Kaiser warnte in seinem Vortrag davor, über das Nichteingreifen der Kempener zu richten „in einem Regime, das Kritik mit Haft und Widerstand mit dem Tod bestrafte“.
Anschließend widmeten sich acht Neuntklässler der Realschule in einer Proklamation den Einzelschicksalen, der im Dezember 1941 deportierten Juden. Sie forderten dazu auf, gemeinsam eine Welt aufzubauen, „in der Hass und Gewalt das Nachsehen haben“. Zusammen mit Musiklehrerin Sonja Kandels sangen sie das Protestlied „We shall overcome“, in das das Publikum einstimmte.