Frisch geschlagene Weihnachtsbäume aus der Region So viel Pflege brauchen die Tannenbäume jetzt

Kempen · In sechs Monaten ist Weihnachten. Für viele gehört der frisch geschlagene Weihnachtsbaum zum Fest in die gute Stube. Für seinen Auftritt braucht er jetzt Pflege. Was die hiesigen Betreiber der Plantagen machen.

Rudolf Platen schützt die zerbrechlichen jungen Triebe der Tannen mit kleinen, glitzernden Propellern, damit sich die Vögel nicht niederlassen.

Foto: Norbert Prümen

„Jährlich werden in Deutschland zwischen 23 und 25 Millionen Weihnachtsbäume verkauft. Für die Produktion spielt Nordrhein-Westfalen eine zentrale Rolle. Sieben Millionen Weihnachtsbäume werden allein im Sauerland produziert und verkauft. Mit rund 18 000 Hektar Anbaufläche ist Südwestfalen eines der größten Anbaugebiete in Europa. Die Kunden legen immer mehr Wert auf Regionalität. Ein Viertel aller Weihnachtsbäume wird direkt bei den landwirtschaftlichen Betrieben gekauft. Ein weiteres Viertel im Straßenhandel und der Rest im Supermarkt oder in Garten- und Baumärkten. Die mit großem Abstand beliebteste Baumsorte für das Weihnachtsfest ist die Nordmanntanne. Abgeschlagen folgen Blaufichte und Nobilis.“

Mit diesen Informationen ist der Landesverband Gartenbau pünktlich sechs Monate vor dem Fest an die Öffentlichkeit gegangen. Die Experten erklären weiter, dass die beliebten Nordmanntannen gerade in der Frühlings- und Sommerzeit besonders viel Aufmerksamkeit von den Landwirten verlangen. Wir haben uns bei vier Betrieben in der Region umgehört, wie es den Weihnachtsbäumen am 26. Juni geht.

Schafe unterstützen
bei der Baumpflege

„Außer auf den Graswuchs achten müssen wir bis November eigentlich nichts mehr tun“, sagt Gutsleiter Hannes von Heimendahl, Haus Bockdorf, in Kempen und zeigt, dass es auch anders geht. Er lasse die vorwiegend angebaute Nordmanntannen so natürlich wie möglich wachsen und setzte auf eine extensive Pflege der Bäume. Lediglich das Gras unter den Bäumen müsse bei feucht-warmer Witterung öfter beseitigt werden. „Bei den größeren Bäumen erledigen das unsere vierbeinigen Mitarbeiter, die Schafe“, sagt von Heimendahl. Natürlich kümmerten sich die Mitarbeiter um Neupflanzungen. Bäume, die unter Platzmangel gelitten hätten, würden sich, wenn der Nachbarbaum verkauft sei, auch wieder selbstständig „rund ziehen“ und zu einem Schmuckstück fürs Wohnzimmer werden.

Auch für Markus Kaisers in St. Hubert beginnt der wahre Stress erst im November. „Wir haben bereits viel Pflegearbeit geleistet: Wir haben die Knospen gerade gebunden und bei mehr als einer Spitze die zweite oder dritte rausgeschnitten“, sagt der Experte. Auch bei ihm auf den Plantagen werde kein Pflanzenschutzmittel gespritzt und die Beregnungsanlage habe er im Frühjahr auch nicht auspacken müssen. Das feuchte Wetter habe den Bäumen gutgetan und der Regen, der seit 2018 gefehlt habe, habe den Grundwasserspiegel wieder aufgefüllt. Die warmen Temperaturen sorgten nun dafür, dass es den Nadelbäumen bis zum Verkaufsstsart im November gut gehe.

„Wir haben bislang keine Wetterextreme gehabt“, sagt Thomas Küthen vom Spargel- und Tannenbaumhof am Krefelder Weg in Kempen. Der Regen und das kühle Wetter habe den Bäumen nicht geschadet, vielmehr hätten die Pflanzen keinen Stress durchlebt und seien somit auch im Dezember im Wohnzimmer länger haltbar. In den kommenden Wochen werden er und seine Kollegen die Bäume immer wieder auf Läusebefall kontrollieren und gegebenenfalls spritzen. „Das wollen unsere Kunden nicht. Sie möchten auch bei einem Naturprodukt wie dem Tannenbaum am Heiligen Abend keinen lebendigen Baum in der Wohnung haben“, sagt Küthen. Denn wenn sich der Kunde einen befallenen Baum ins warme Zimmer holt, „denken“ die Läuse es sei Frühjahr und machten sich auf den Weg. Der Fachmann verweist noch auf den unterschiedlichen Wuchs von Bäumen aus dem Sauerland und vom Niederrhein. „Die Bäume aus dem Sauerland sind dichter. Die steinigen Böden und die kühleren Temperaturen ermöglichten langsameres, dichteres Wachstum. Die „Kempener“ Bäume wüchsen schneller, blieben weniger dicht und könnten somit auch opulenter geschmückt werden.

Auf dem Schleupenhof in Tönisvorst ist schon viel Arbeit erledigt worden. „Wir haben neue Bäume gepflanzt und nachgedüngt,“ sagt Rudolf Platen. Im Mai habe man bereits die neuen Triebe in Form gebracht und korrigiert. „Es ist sehr wichtig, die Spitzen zu schützen“, sagt Landwirt Platen. Die jungen Triebe seien sehr weich und könnten schnell abbrechen wie Glas. Da die Kunden aber eine intakte Spitze wünschten und die Vögelchen sich sehr gerne auf die Spitzen setzten, müsse er vorbeugen. „Ich mag Vögel sehr, aber solang die jungen Äste und Nadeln so zerbrechlich sind, müssen sie sich einen anderen Platz suchen“, sagt Platen. Deshalb befestigt er silberne Plättchen – Mini-Propeller – an den Bäumen, die in der Sonne glitzern und so die gefiederten Freunde von der Rast abhalten. Oder er befestigt Ersatz-Sitzplätze – Klammern mit Stäbchen – auf denen sie sich niederlassen können. Alles Handarbeit, versteht sich. Wenn die Äste stabil genug und ausgehärtet sind, dürfen die Vögel nach den Sommerferien auch wieder Platz nehmen.

Wer jetzt noch immer nicht in Weihnachtsstimmung ist, sei auf August vertröstet, wenn der erste Spekulatius im Regal steht und dann ist es auch nicht mehr weit bis zum Weihnachtsbaumverkaufsstart in der Region.