Unwetter: Land unter in der Altstadt
Erst wurde der Himmel dunkel, dann kamen Regen, Hagel und Sturm. Besonders schlimm erwischte es Kempen.
Kempen/Grefrath/Nettetal. Digitalkameras und Foto-Handys sind gezückt: Die Menschen wollen in Bildern das festhalten, was sich gestern Mittag in Kempen abgespielt hat: Eine junge Frau zieht ihre Schuhe aus, um die überflutete Burgstraße zu überqueren. Während alle ungläubig staunen und versuchen, auch ohne Gummistiefel trockene Füße zu behalten, hat eine Gruppe junger Radfahrer sichtlich Spaß an dem vielen Wasser auf der Straße. "Wir wollten doch an einem Fluss zelten", ist aus der Gruppe zu hören.
Angekündigt hatte sich das Unwetter grau und unheimlich. Gegen 11.20Uhr war es draußen so dunkel geworden, dass gar die Straßenlaternen angingen. Nach einem eher harmlosen Gewitter und einem Regenschauer hatte die Natur dann kurz inne gehalten und anscheinend Kraft gesammelt für das, was ab 12Uhr vom Himmel kommen sollte: Sturzbäche und Hagel. Innerhalb weniger Minuten waren Straßen in Kempen überflutet, die Kanäle mit ihrer Arbeit völlig überfordert- das Wasser sprudelte aus den Gullydeckeln.
Dennoch war Johannes Dicks um 12.20Uhr ganz entspannt. "Keine vollgelaufenen Keller, und der Kendel ist auch noch da, wo er sein soll", gab der Feuerwehrsprecher gelassen zu Protokoll. Schon eine halbe Stunde später sollte sich sein Gemütszustand verändert haben. Von 14Einsatzorten berichtete er nun. Im Laufe des Tages sollten es weit mehr als 50 werden - mit Schwerpunkten in Alt-Kempen und Schmalbroich. 14Fahrzeuge der Feuerwehr und fünf des Technischen Hilfswerks waren mit etwa 100Mann im Einsatz: In der Realschule stand das Wasser. 1,50Meter erreichte der Pegelstand in einer Tankstelle, in Tiefgaragen stand das Wasser bis zu zwei Meter hoch. Die Polizeiwache meldete einen halben Meter Wasser im Keller. Die B509 war zwischen Kempen und Mülhausen nicht mehr befahrbar.
Das Dach des Praktiker-Baumarkts an der Kleinbahnstraße drohte aufgrund der Wassermassen einzustürzen. Einen brenzligen Einsatz gab es für die Feuerwehr im Krankenhaus. "Dort haben wir das Wasser zwei Zentimeter vor der Stromverteilung aufgehalten und somit einen Kurzschluss verhindert", sagt Johannes Dicks.
In Grefrath blieb es weitgehend ruhig und der Ortskern trocken. Trotzdem wurde die Feuerwehr zu einigen Einsätzen gerufen. Im Keller der Albert-Mooren-Halle stand das Wasser zehn Zentimeter. Der Frauenweg im Grefrather Westen war mit Schlamm übersät. Die Hinsbecker Straße (K30) musste zwischenzeitlich gesperrt werden. Nettetal kam glimpflicher davon: Zu zehn Einsätzen musste die Feuerwehr ausrücken.
Zurück nach Kempen: Wer keine Hilfe der Feuerwehr hatte, der half sich selbst. Das Wasser wurde mit allen zur Verfügung stehenden Hilfsmitteln aus den Geschäften in der Altstadt befördert. Vor den Läden fegten die Besitzer die Blätter weg, Gullydeckel wurden vom Laub befreit, damit das Wasser ablaufen konnte. Auf der Engerstraße war kaum ein Durchkommen. Dort mussten Geschäfte zeitweise schließen, weil sie überschwemmt waren.
Hausbewohner pumpten ihre Keller leer, indem sie Gartenschläuche aus den Fenstern auf den Bürgersteig legten, aus denen das Wasser sprudelte. Während ganz Kempen aufräumte, kamen dann wieder Sonnenstrahlen zum Vorschein - ganz so, als habe der Wettergott ein schlechtes Gewissen und wolle sich für das Geschehene entschuldigen.