Weihnachten in Mariendonk: Die lange Nacht der Psalmen
Für die Benediktinerinnen in Mülhausen steht an Heiligabend das Wunder der Menschwerdung im Mittelpunkt. Die Abtei Mariendonk ist ihre Heimat. Doch an den Festtagen denken sie auch an frühere Zeiten.
Mülhausen. Am frühen Heiligabend geht’s erst mal ins Bett: „Die meisten von uns ruhen etwas aus, manche schlafen auch“, erzählt Martha Duhr OSB. Denn die Benediktinerinnen in der Abtei Mariendonk müssen fit sein vorm Weihnachtsfest, wird es doch eine lange Nacht — in der es ganz anders zugeht als in den allermeisten Haushalten.
Von wegen Weihnachtsmann, Lichterketten und Bescherung: „Das ist nicht unser Ding, wir konzentrieren uns aufs Wesentliche, auf das, was Weihnachten ausmacht“, erläutert Schwester Martha. Die 39-jährige Berlinerin, die schon gut ihr halbes Leben in der Abtei verbringt, schildert, was dort los ist am Hochfest der Geburt des Herrn. Wie die Ordensfrauen es so halten mit Geschenken. Wie bei ihnen Weihnachtsfreude aufkommt — und mitunter ein bisschen Wehmut.
Was also macht es bei den Benediktinerinnen aus, das Wesentliche von Weihnachten? „Die Liturgie steht im Mittelpunkt, wir feiern Gottesdienst, beten und singen.“ Dabei nehmen sie die Frohe Botschaft ernst: „Das ist ja schon was Gewaltiges, diese Menschwerdung des Gottessohnes“, beschreibt Schwester Martha den Grund der Weihnachtsfreude, zitiert das Johannesevangelium: „Und das Wort ist Fleisch geworden. . .“
Klosterkirche und Krypta sind schlicht geschmückt, „ein bisschen Grün, sonst kaum was“. Dafür hat es der Gottesdienst in der Weihnachtsnacht in sich: „Unsere Liturgie beginnt um 22.15 Uhr, dauert ungefähr drei Stunden, vor allem viele Psalmen sind dabei“, verrät die Ordensfrau. Anschließend noch ein kurzer Empfang mit Besuchern: „Wir haben einige Hausgäste, die ganz bewusst Weihnachten bei uns im Kloster mitfeiern möchten.“ Eine lange Nacht also.
Wenn Martha Duhr erzählt, lächelt und lacht sie fröhlich. Wird aber auch nachdenklich bei der Frage, ob ihr bei aller Einsicht in die theologische Bedeutung nicht doch vielleicht das Sentimentale des gutbürgerlichen Weihnachtsfestes fehle. Doch, manchmal ein bisschen, sagt sie, das gehe auch Mitschwestern so: „Natürlich ist da der Gedanke an die Familie.“ Sie habe das Glück gehabt, in ihrer Kindheit und Jugend immer „ein sehr harmonisches Weihnachtsfest zuhause“ erleben zu dürfen: „Die Erinnerung kommt da schon hoch.“
Gern sei sie früher über Weihnachtsmärkte gegangen, habe die Düfte, die Musik, das Gedränge der Menschen gemocht. So kommt auch etwas Wehmut ins Spiel: „Unsere Familien schicken uns Geschenke zu Weihnachten, da ist es nicht leicht, dass wir ihnen nichts schenken können“, gesteht Schwester Martha. Nach ihrer Ordensregel hat eine Benediktinerin keinen persönlichen Besitz. Und wer arm ist, hat auch nichts zu verschenken; neben Gebeten für die Lieben noch Weihnachtsgrüße per Post — mehr ist nicht drin. Dabei verschenken die Schwestern durchaus etwas, das Kloster unterstützt nämlich soziale Projekte vor allem für Kinder.
Schließlich verrät Schwester Martha, dass man in der Abtei doch noch eine Art Bescherung feiere: „Am Weihnachtsabend sitzen wir alle zusammen, singen Weihnachtslieder, und auf dem Tisch liegen alle Geschenke, die uns geschickt wurden.“ Dann werde überlegt, was die Gemeinschaft brauchen könne, was man vielleicht weiterverschenke.
Gefühle und Sehnsüchte sind ihnen also nicht fremd, den Frauen in Ordenstracht. Gerade diese Gefühle indes machen sie so empfänglich für das Wunder der Weihnachtsnacht, so Martha Duhr OSB: „Die Gebete und Gottesdienste lassen uns ja spüren, wie wunderbar die Menschwerdung Jesu ist, die Ostern in der Auferstehung ihre Vollendung findet.“