Kempen Wenig Neues, viele Fragezeichen

In den Haushaltsreden mahnte die Politik zur Sparsamkeit. Die Ausführungen einzelner Fraktionen waren nicht sonderlich kreativ.

Foto: WZ-Archiv

Kempen. 5,8 Millionen Euro — so groß ist das prognostizierte Defizit im Haushalt 2016 der Stadt Kempen. Wie berichtet, hat der Stadtrat am Montagabend grünes Licht für den Etat gegeben. Nur die Fraktion der Linken stimmte gegen den Entwurf von Bürgermeister Volker Rübo (CDU). Traditionell nutzten die Fraktionsvorsitzenden ihre Haushaltsreden, um grundsätzliche politische Standpunkte herauszustellen. Sonderlich kreativ waren die Ideen einiger Politiker nicht. Teilweise wurde die Vision des Bürgermeisters für ein neues, zweites Rathaus gar nicht von den Rednern aufgegriffen.

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Analyse

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Von CDU-Fraktionschef Wilfried Bogedain allerdings schon: „Wir unterstützen den Gedanken des Bürgermeisters ausdrücklich.“ Bei der Vorstellung des Haushaltes im Dezember hatte Rübo erklärt, dass er plane, die Nebenstellen der Verwaltung (Jugendamt in St. Hubert sowie Grünflächen- und Standesamt in Kempen) aufzugeben statt diese aufwendig zu sanieren. Anstelle der Nebenstellen soll ein neues Verwaltungsgebäude gebaut oder angemietet werden. Und im Zuge dieser Umstrukturierungen soll auch das Rathaus als Hauptstelle am Buttermarkt saniert werden. Über ein mögliches Grundstück für eine neue Nebenstelle will der Bürgermeister noch nicht öffentlich sprechen.

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„Wir versprechen uns von einer zentralen Nebenstelle eine nachhaltige Kosteneinsparung“, so Bogedain. „Um einen Schritt weiterzukommen, bitten wir die Verwaltung, Möglichkeiten zur Realisierung auszuloten und eine Wirtschaftlichkeitsberechnung vorzunehmen.“

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Zustimmung gab es von der CDU auch für die 100 000 Euro teure Untersuchung der Organisationsstruktur innerhalb der Verwaltung. Bogedain mahnte mit Blick auf das Defizit zur Sparsamkeit. Der Konsolidierungsprozess müsse fortgesetzt werden. Dabei appellierte er an die anderen Fraktionen, dies gemeinsam anzugehen.

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In SPD-Fraktionschef Andreas Gareißen dürfte Bogedain in diesem Ansinnen einen Mitstreiter gefunden haben. „Es wird allzu deutlich, dass alle Anstrengungen unternommen werden müssen, den Haushalt der Stadt Kempen wieder in die richtigen Bahnen zu lenken“, so Gareißen. Die Organisationsuntersuchung begrüßt auch die SPD — schließlich haben die Sozialdemokraten sie über Jahre gefordert. „Diese Untersuchung ist für eine Verwaltung kein einfaches Unterfangen“, so Gareißen. „Herr Bürgermeister, hierfür sichere ich Ihnen heute die Unterstützung der SPD-Fraktion zu.“

Etwas abwartender wirkten die Aussagen der SPD mit Blick auf ein neues Rathaus. „Der Wunsch des Bürgermeisters nach einem Neubau ist nachvollziehbar“, sagte Gareißen, der aber anzweifelte, dass dieser Wunsch mit Blick auf die derzeitige Haushaltslage finanzierbar sei. Es wurde aber deutlich, dass sich die SPD dem Gedanken nicht verschließen wird: „Die Planung ist nicht von vorneherein zurückzuweisen.“

Die Grünen scheinen offen für die Planung eines Neubaus zu sein. Wie schon gestern berichtet, brachte Fraktionschef Joachim Straeten sogar ins Spiel, ein stadteigenes Archiv in einen Verwaltungsneubau zu integrieren. Mit Blick auf die Organisationsuntersuchung machte Straeten deutlich, dass die Grünen eine „ganzheitliche“ Analyse erwarten — also kein Stückwerk.

Kritik übte Straeten an den Prognosen für die Haushalte der vergangenen Jahre. „So wurde 2012 eine Unterdeckung von 3,8 Millionen Euro prognostiziert. Als Ergebnis gab es einen Überschuss von 1,4 Millionen Euro“, sagte der Grünen-Chef, um weitere ähnliche Beispiele anzuführen. Die „eiserne Regel der Sparsamkeit“ habe daher nur „bedingten Wert“. Vom neuen Kämmerer Jörg Geulmann erhofft sich Straeten präzisere Etatentwürfe. „Denn, wie oft haben wir gewünschte Maßnahmen nicht in Angriff genommen und so Chancen liegen gelassen, weil angeblich kein Geld zur Verfügung stand.“

Die FDP rief am Montagabend zu weiteren Einsparungen auf. „Wir müssen weitere Ausgaben kürzen und gewohnte Kempener Standards hinterfragen“, sagte die Fraktionsvorsitzende Irene Wistuba. Aufbauend auf dem Bericht der Gemeindeprüfungsanstalt (GPA) gelte es, einiges zu überprüfen: Grünflächenbewirtschaftung, Einwohnermeldeaufgaben, Personenstandswesen und Schülerspezialverkehr. Insofern begrüßt auch die FDP die Organisationsuntersuchung der Verwaltung durch ein externes Büro.

Handlungsbedarf sieht Wistuba an der Gesamtschule, die voll ist und nicht alle Schüler aufnehmen kann. „Es ist für uns untragbar, dass in unserer Schulstadt Kempen Kinder keinen Platz an einer Kempener Schule finden.“ Die Gesamtschule müsse auf sieben Züge erweitert werden.

Wenig Innovatives gab es in der Ratssitzung von den Freien Wählern Kempen (FWK). Fraktionschef Udo Kadagies gab einen ausführlichen Überblick darüber, für welche Themen sich der Verein — es handelt sich nicht um eine Partei — seit der Gründung 2009 eingesetzt hat: zum Beispiel Abschaffung der Sportstättennutzungsgebühr (seit 2010), Bau des Tönisberger Netto-Marktes (2014 eröffnet), Errichtung eines Kunstrasenplatzes in Kempen (2014 eröffnet). „Auch den Fußballern in St. Hubert und Tönisberg sollte ermöglicht werden, künftig auf einem Kunstrasen zu spielen“, forderte Kadagies. „Ihnen sollte dies bei der nächstfälligen Platzsanierung zu den gleichen Konditionen wie den Kempenern angeboten werden.“

Einige Fragezeichen hatten die Zuhörer bei der Rede des Linken-Fraktionschefs Günter Solecki im Gesicht. Die Fraktion lehnte den Etat ab, „weil es kein linker Haushalt“ sei. Nachvollziehbar war die Kritik von Solecki, dass die Kämmerei den Haushalt künftig eher aufstellen solle. „Wir haben jetzt März. Wenn der Haushalt wirksam ist, haben wir April, wenn nicht sogar Mai, also sieben Monate, um ihn abzuarbeiten“, so Solecki. Die Gemeindeordnung sehe vor, dass ein Haushalt im Dezember zu verabschieden ist.

Ganz und gar nicht nachvollziehbar war für viele dann aber Soleckis Wunsch nach einer weiterführenden Schule für St. Hubert — vor allem angesichts sinkender Schülerzahlen in NRW. Diese könnte langfristig in den vorhandenen Räumen der früheren Förderschule eingerichtet werden. Dort sind derzeit Flüchtlinge untergebracht. „Über 10 000 Einwohner in St. Hubert und Tönisberg“ hätten eine eigene Schule verdient.