Werner Reckermann: Polit-Dino sagt adieu

Abschied: Werner Reckermann (71) verlässt die politische Bühne. Der SPD-Mann legt das Ratsmandat nach 32 Jahren nieder.

Grefrath. Ein kantiges Felsgestein, ein scheinbar aus Granit gemeißeltes Monument der Kommunalpolitik verlässt die politische Bühne: SPD-Fraktionschef Werner Reckermann (71). Die Ratssitzung am Montag war sein letzter Akt als aktiver Politiker.

Damals: Der Nachkriegs-Jugendliche aus Wittlaer, mit Hunger und Schwarzhandel durchaus vertraut, wird Polsterer. Eine Stauballergie wirft den Gesellen aus der Bahn. 1955 wird er Hilfsarbeiter bei Mannesmann, um die Familie zu unterstützen - der Vater war in Russland geblieben. Bald darauf ist Reckermann er Technischer Angestellter.

Nie hätte Reckermann sich träumen lassen, eine einzigartige Karriere hinzulegen: beim Mannesmann-Forschungsinstitut in Duisburg-Huckingen. 32 Jahre ist er Betriebsrat, 20 davon Vorsitzender. 1971 kommt die "Elefantenhochzeit" Thyssen/Mannesmann. Bis zum Vorruhestand ist Reckermann fast nur noch mit Personalabbau konfrontiert - in der Rolle, das Schlimmste zu verhindern. Die Duisburger NRZ schreibt im Oktober 1987: "Im Jahre des 100-jährigen Bestehens der IG Metall ist Reckermann ein lebendiger Teil ihrer Geschichte." Und der Gewerkschaft hält er die Stange, auch heute noch. Am Feiertag der Arbeit (1. Mai) geht er demonstrieren, immer: "Solange ich laufen kann, tu’ ich das."

1973: Der gestandene Ruhrpott-Gewerkschafter betritt die erdschwer-unnahbar anmutende Vinkrather Scholle: Erst kommt ihm das vor wie eine Verbannung. Die sanft lenkende Hand seiner Frau sorgt fürs Bleiben, die Doppelhaushälfte entsteht. Reckermann: "Ich kannte nichts, ich wusste nichts, und Bööscher Platt lernte ich als schwierige Fremdsprache." Andererseits war er noch nicht ganz in Vinkrath, da saß er schon per letztem SPD-Listenplatz im Grefrather Rat. Verbissen klapperte der spätere Bau- und Planungs-Politiker sämtliche Straßen der Niersgemeinde ab, um Grefrath zu begreifen. Viel lernte er von den damaligen Größen der SPD: Heinz Stieger, Willi Ehlers, Peter Ebels, Willi Glutting und vom Vorgänger im Fraktionsvorsitz Franz Kordsmeyer: "Ich wusste dann irgendwann, wie’s geht."

Es kam einer politischen Sensation gleich, als Reckermann seinen Vinkrather Wahlbezirk gegen die gewohnt-mächtige CDU-Dominanz direkt für die SPD eroberte. Das kam nicht von ungefähr. Mehr und mehr hatte sich das ungewöhnliche Engagement dieses Mannes herumgesprochen. Reckermanns Leitmotiv ("Wo ich helfen kann, tu’ ich’s.") wurde gelebte Alltagswirklichkeit bis heute. Und das soll auch nach seinem Abschied von der aktiven Politik so bleiben.

In der Brust des scheinbaren Hardliners, der die politische Konkurrenz zuweilen das Fürchten lehrte, schlägt ein sehr empfindsames Herz. Privat atmet er jetzt auf, empfindet sich als befreit: "Es ist schön, nicht mehr müssen zu müssen", kann er Terminzwänge und Stress jetzt abstreifen - nach 32 Ratsjahren, die letzten 16 als Fraktionsvorsitzender. Seine Liebeserklärung an "dat Christel", seine Frau: "Wenn sie mir nicht den Rücken frei gehalten hätte - mein Weg wäre nicht möglich gewesen." Reckermann macht seine Zukunftspläne von der Tagesform abhängig, pflegt seinen Garten und bleibt Spezialist für die geliebten Kamelien. Und "Vorsitzender" bleibt er auch: im Radelverein "Dampfender Sattel" - aber das hat wahrlich nichts mit Politik zu tun.