Torsten Matschiess aus Nettetal Blogger mit Tipps für klimaangepasstes Gärtnern
Nettetal · In Reisebussen kamen Gartenfans nach Brüggen, um dort ein außergewöhnliches Naturexperiment des Nettetalers Thorsten Matschiess zu sehen. Jetzt hat er den Garten dort aufgegeben. Aber Ratschläge für Grünfans hat er immer noch.
Der Garten Alst ist Geschichte: Brüggen hat eine Sehenswürdigkeit weniger. Wo vorher Tausende Sträucher blühten und seltene Gräser wuchsen, ist künftig Grünland. Ein Experiment ist beendet, das ungezählte Natur- und Gartenliebhaber auch von weit her anlockte. Der Grund: Der Pachtvertrag ist ausgelaufen. Die Initiatoren eines blühenden Paradieses sind weggezogen.
Betreiber Torsten Matschiess lebt in Nettetal. In seinem Gartenblog gibt der Grünexperte Tipps rund um den Garten, seltene Pflanzen und seine Experimente mit Kreuzungen. Der Nettetaler widmet sich sowohl der Theorie als auch der gärtnerischen Praxis und nimmt, was als „übliche Vorgehensweise“ gilt, kritisch in den Blick. „Denn die Erwartungshaltung an Gärten und Grünflächen verändert sich ebenso wie das Klima. Eine gegenwärtige Gartengestaltung berücksichtigt den Wunsch nach abklingender Pflege durch eine klimaangepasste und auf den Standort optimierte Pflanzplanung“, findet er. Dabei spielen die Erfahrungen aus den Jahren mit dem Garten Alst eine zentrale Rolle.
Zur Geschichte: Zwölf Jahre lang war der parkähnliche Garten Alst in der Burggemeinde Brüggen gärtnerisches Experimentierfeld von Torsten Matschiess. Auf einem ehemaligen Maisacker hatte der deutschlandweit tätige Gartenplaner mit seiner späteren Gattin Daniela Pawert innerhalb von zwei Jahren eine über 8.000 Quadratmeter große Gartenanlage erschaffen. Gut 23.000 Stauden und Gräser vermehrten sie dort zu einem großen Teil selbst. Als Quelle diente dem Paar eine umfangreiche Pflanzensammlung. Der Garten Alst wurde zum beliebten Ziel für Pflanzenbegeisterte und Treffpunkt der Garten-Szene.
Immer häufiger hörte Matschiess, dass Gartenbesitzer weniger Zeit mit der Pflege des Gartens verbringen wollen. Der Profi experimentierte daraufhin mit eigenen Pflanzenmischungen. Er legte Beete an, die nur noch gemäht werden mussten. Eines war sogar so konzipiert, dass es jahrelang weder gepflegt noch betreten wurde. Matschiess zeigte, wie geeignete Pflanzen unerwünschten Wildwuchs wie Giersch und Quecke zurückdrängen. Über diese Erfahrungen hält der Gartenplaner heute regelmäßig Vorträge.
Seit 2011 führte Matschiess mit Perenne, einem Verein für Staudenzüchtung und Sortimentsentwicklung, eine Begutachtung der Kerzenknöteriche durch. Über 45 Sorten wurden flächig im Garten Alst aufgepflanzt und gemeinsam mit Fachleuten auf individuelle Qualitäten und ihre zahlreichen Einsatzmöglichkeit untersucht. So unterstützt der Verein die Planung von Gärten mit seinen Empfehlungen von optimalen Sorten für den jeweiligen Einsatzort.
Im Laufe der Jahre wurden im Garten Alst mehrere Stauden ausgelesen und in den Handel gebracht. Sie sind leicht zu erkennen, denn es taucht immer ein „Alst“ im Namen auf. So entstanden etwa eine mehltauresistente Hohe Flammenblume „Alster Diamant“, ein standfester Armenischer Storchschnabel „Freies Alst“ und der Koreanische Wiesenknopf „Alster Luft“’, der heute in zahlreichen Gärtnereien der Niederlande erhältlich und mittlerweile auch in seiner asiatischen Heimat bekannt ist. Sein gefiedertes, bläuliches Laub verströmt bei Sommerwärme einen feinen Duft.
In einem Umfeld intensiver Landwirtschaft bezog Matschiess auch die übliche Landnutzung in seine Konzepte ein. 2017 erschien mit „Avantgardening: Plädoyer für gegenwärtiges Gärtnern“ ein Buch über den Garten Alst das beim Wettbewerb Deutscher Gartenbuchpreis einen zweiten Platz belegte. 2018 erschien Matschiess‘ preisgekrönter Spiegel-Bestseller „Und es wächst doch!" mit Co-Autor und Staudengärtner-Meister Till Hofmann. Darin beschreiben die beiden Autoren typische Problemstandorte im Garten, wie extrem trockene Lagen, verdichtete Böden oder große Bestände von Giersch, und welche Pflanzen dort gedeihen.
Als die Initiatoren nach Nettetal zogen, blieb der Garten in Alst zunächst sich selbst überlassen und wurde beobachtet. Jetzt, da die Pacht abgelaufen ist, wurde die Fläche wieder in Grünland verwandelt.