Denkmaltag in Nettetal Landsknecht-Figur hält jetzt an Landwehr Wacht

Nettetal · Die Nähe zu den Niederlanden macht Grenzen für die Nettetaler zu etwas Vertrautem. Doch beim Tag des offenen Denkmals wurden einige Grenz-Erfahrungen eröffnet, die nicht alltäglich sind.

Die Handwerker-Familie Kiwall führte alte Arbeitstechniken beim Bau von Häusern vor.

Foto: Heinz Koch

Ausgangspunkt einer Besichtigung der Lobbericher Landwehr war der Hof Gorissen in Bocholt, wo Bürgermeister Christian Küsters und der Vorsitzende des VVV-Lobberich, Ralf Stobbe, die Besucher begrüßten. Hausherr Johannes Gorissen erzählte auf Lobbericher Platt, wie er diesen Ort als Kind erlebt hat: „Es war der schönste Spielplatz, über den historischen Bezug wussten wir nichts.“ Erst vor zwei Jahren sei er durch Ralf Schmeink auf die historische Bedeutung aufmerksam gemacht worden. Daraus entstand dann eine Aktion: die Aufstellung einer aus Stahl ausgeschnittenen Landsknecht-Figur. Diese markiert jetzt die ehemalige Landwehr.

Die Geschichte der Landwehr stellte Greta Optendrenk-Beek vor. Um das Jahr 1400 ragte Lobberich auf einem „Zipfel“ des Herzogtums Geldern in das Herzogtum Jülich hinein. Um die Landesgrenzen festzulegen, wurden Landwehren erstellt. Diese bestanden meist aus zwei bis vier Reihen vertiefter Rinnen und erhöhten Bodens, auf denen miteinander verflochtenes Dornengestrüpp wuchs. Ein Durchkommen war nur an freigelassenen Durchgängen möglich. Die mächtigsten Wälle waren bis zu sechs Meter breit und hatten etwa 1,5 Meter tiefe Gräben.

Das Bürgerhaus in Kaldenkirchen war einst Zollamt und ist heute Denkmal. Elvire Kückemanns stellte seine Geschichte vor.

Foto: Holger Hintzen

Am Hof Gorissen sind noch 825 Meter Landwehr erhalten, auch an anderen Stellen sind noch kleinere Abschnitte erkennbar. Denn die Landwehr durchlief den gesamten Bereich der heutigen Stadt Nettetal, denn Lobberich, Hinsbeck und Leuth gehörten zum Herzogtum Geldern, Breyell und Kaldenkirchen zum Herzogtum Jülich. Erst mit der Franzosenzeit wurden ab 1795 diese Grenzen bedeutungslos und meist geschleift.

Über „Denkmaltag und digitale Medien“ sprach anschließend Ralf Schmeink. Er plädierte dafür, das Wissen der Vereine und Privatpersonen, der Öffentlichkeit über digitale Medien zugänglich zu machen. „Eines der Probleme ist, dass Zugereiste, und erst recht nicht, wenn sie aus anderen Kulturkreisen kommen, keinen Zugang zur heimatlichen Geschichte haben“, sagte Schmeink. Er sieht dabei Verkehrs- und Bürgervereine sowie die Stadt in der Verantwortung.

Die Bedeutung der Nähe zu den Niederlanden stellte am Nachmittag Elvire Kückemanns vom Bürgerverein Kaldenkirchen. Es ging um das ehemalige Hauptzollamt im Zentrum Kaldenkirchens, um das Zollamt „Schwanenhaus“ an der Grenze, um Bahnhof und Güterbahnhof Kaldenkirchen, und auch um Schmuggel. Alle Facetten wurden auf Tafeln mit Texten und Bildern, teilweise aus dem Kreisarchiv Viersen, illustriert.

Das 1818 im neoklassizistischen Stil zweigeschossig erbaute Hauptzollamt kam 1970 in den Besitz der Stadt Nettetal und wird heute als Bürgerhaus genutzt, wobei Bürgermeister Küsters betonte, dass kürzlich Fördermittel des Landes für eine Renovierung zugesagt worden seien.

Das Zollamt Schwanenhaus wurde mehrfach erweitert und war um 1975 eines der größten und bedeutendsten Grenzzollämter Deutschlands. Mit der Einführung des europäischen Binnenmarktes 1993 sank die Bedeutung jedoch. Auch der Bahnhof und der Güterbahnhof hatten in den 1970-er Jahren internationale Bedeutung.

Für die Bewohner an der Grenze war der Schmuggel in früherer Zeit von großer Bedeutung. Ob zu Fuß, per Fahrrad oder mit dem Pkw, praktisch jeder beteiligte sich daran. Das galt vor allem in Zeiten der Not, zum Beispiel nach der Revolution 1848 und während der und nach den beiden Weltkriegen. Selbst offizielle Seiten meldeten, dass Kaldenkirchen und seine Umgebung „das größte Schmugglernest an der Grenze zu den Niederlanden sei“.

An einer weiteren Station zeigte der Restaurator Antonius Kiwall mit seinen Söhnen vor dem ehemaligen Hauptzollamt, Handwerkstechniken, die früher beim Bau von Häusern angewendet wurden. Etwa das „Beilen“ (behauen mit Beilen) von rohen Holzstämmen zu Balken, das Erstellen von mit Lehm ausgefüllten Weidenflechtwänden sowie der Zusammenbau von Fachwerken nur mit Zapfen und deren Ausfachung (ausfüllen mit Steinen).