Toilettenaktion in der Gesamtschule Breyell Sechs Schüler schrubben die Schultoiletten
Nettetal-Breyell · In der Gesamtschule haben Schüler, Eltern und Lehrer eine Aktion gestartet, damit die Schultoiletten ein Ort werden, an dem man sich wohlfühlen kann.
Es klingt wie die Höchststrafe kurz vor dem Schulverweis: Vier Stunden lang haben sechs Schülerinnen und Schüler der städtischen Gesamtschule die Schultoiletten geschrubbt. Doch die vier Mädchen und zwei Jungen haben sich freiwillig für diese Aufgabe gemeldet. Sie war Teil eines Projektes des didaktischen Ausschusses, in dem Schüler, Eltern und Lehrer sich für ein gutes Miteinander engagieren. Das Ziel der Aktion: auf die desolate Situation auf den Schultoiletten aufmerksam zu machen, die Mitschüler zu sensibilisieren - und selbst eine Verbesserung herbeizuführen.
„Erst war es sehr ekelig, der Boden war dreckig und auch die Wände waren beschmiert“, sagt der 15-jährige Kilian Urbaniak aus dem Putzteam. „Aber dann haben wir uns Handschuhe angezogen und Wasser an die Wände geklatscht.“ Schließlich habe das Putzen sogar Spaß gemacht: „Wir haben dabei Musik angestellt und viel gelacht.“
Warum Kilian und fünf weitere Schüler der Klasse 10a sich für diese Aufgabe gemeldet haben? „Es ist doch auch in unserem eigenen Interesse“, sagt Lina Lotsch (15). „Viele von uns benutzten die Toiletten total ungerne.“ Das bestätigt Kilian: „Ich gehe gar nicht mehr in der Schule zur Toilette. Damit habe ich inzwischen Übung, es geht ganz gut.“
. Ein normaler Schultag geht in der städtischen Gesamtschule allerdings bis 16 Uhr. „Manche Kinder bekommen im Laufe des Tages Bauchschmerzen, weil sie nicht auf der Schultoilette ihr Geschäft verrichten wollen“, erzählt die Kunstlehrerin Stephanie Bones, die das Toiletten-Projekt federführend leitet.
Doch eins sollte klar sein: Die Gesamtschule ist kein krasses Negativ-Beispiel, sondern hier wird nur offen über ein Problem gesprochen, das wohl alle Schulen gut kennen: Natürlich werden die Toiletten regelmäßig geputzt, aber längst nicht jeder Benutzer verlässt das stille Örtchen in einem ordentlichen Zustand. Kilian und Lina berichten von Kot an den Wänden oder einem Haufen im Pissoir oder neben der Toilette. Auch beschmierte Wände mit Beleidigungen und obszönen Sprüchen finden sich wohl auf fast jeder Schultoilette. Und manche Schüler in den Schulen der Region machen sich heutzutage auch einen Spaß daraus, die Toiletten mit Toilettenpapier zu verstopfen, die Porzellanschüsseln zu zertrümmern oder Seifenhalter aus den Wänden zu reißen.
Stephanie Bones hat dazu eine klare Haltung: „Warum sollen wir uns von zehn Chaoten entmutigen lassen?“, sagt sie. „Orientieren wir unser Handeln lieber an den 890 anderen, die an einem guten Miteinander interessiert sind.“ Und sie hat ihre Schüler ermutigt: „An Euer Vorbild werden sich alle hier noch erinnern, wenn ihr mit der Schule fertig seid.“
Deshalb haben Stephanie Bones und ihre 10. Klasse im Kunstunterricht eine Ausstellung vorbereitet. Sie haben einen Tag lang die Jungen- und Mädchentoiletten im Anschluss an die Putzaktion mit Collagen, Wänden zum Bemalen, Mutmach-Sprüchen an den Spiegeln und Blumen verschönert und für einen angenehmen Duft gesorgt. Unterstützt wurden sie von einem örtlichen Drogeriemarkt, der Putzmittel und Klobürsten gesponsert hat - und für jeden der 900 Schüler einen Beutel mit Hygieneartikeln für den Gang zur Toilette. Beim Tag der offenen Tür am Samstag, 23. November, wird die Ausstellung von 10 bis 14 Uhr noch einmal zu sehen sein.
„Wir haben tolle dankbare Reaktionen von unseren Mitschülern bekommen“, sagt Lina, „vor allem von den Mädchen.“ Die Jungen seien teils etwas spöttisch gewesen. Aber dazu sagt sie mit der Weisheit einer 15-jährigen jungen Dame: „Pubertierende Jungs sind halt so. Die kann man nicht ernst nehmen.“
„Angesichts der Edelstahl-Schüsseln ohne Toilettenbrille muss ich hier an einen Knast denken“, sagt Despina Passagiotidou, die als Mutter tatkräftig bei der Aktion mitgeholfen hat. Aber ihr ist bewusst, dass es dafür einen Grund gibt: Toiletten aus Edelstahl sind besser zu reinigen und nicht so leicht zu zerstören wie Keramikschüsseln und Brillen aus Plastik. „Wir müssen die Schüler sensibilisieren, auch wenn das ein Schamthema ist“, findet sie. Der didaktische Ausschuss, dem sie als Mutter angehört, denkt daher auch über Infogespräche nach, bei denen die Schüler ähnlich wie in Sexualkunde ihre Fragen rund um das Thema Toilettengang beantwortet bekommen.
Auch die Lehrer halten die vorhandenen zehn Toiletten für Mädchen und vier Toiletten plus Pissoirs für Jungen nicht gerade für üppig. Deshalb dürfen die Schüler sich auch einen Schlüssel abholen und die Toiletten der Lehrkräfte mitbenutzen. Allerdings gibt Lina zu bedenken: „Wer möchte auf der Toilette schon neben seinem Lehrer sitzen?“
Auch der Schuldirektor Leo Gielkens steht voll hinter dem Projekt. „Da geht es auch um die Frage: Wie gehen wir miteinander um?“, sagt er. „Und zwar analog. Wir reden alle nur von Themen wie Digitalisierung. Aber Respekt voreinander ist für mich nach wie vor das wichtigste Unterrichtsfach.“ Er würde sich in der Schule eine Reinigungskraft wünschen, die tagsüber sichtbar ist, damit die Kinder ein Gefühl dafür bekommen, was für eine Arbeit da geleistet wird. „Dann würden alle diese Kraft genauso kennen wie unseren Hausmeister Herrn Schneider.“ Er kann sich auch vorstellen, dass auf den Toiletten in den Pausen Musik abgespielt wird. Was ihn aber besonders freut: „Die Schüler haben gesehen, dass ihre Initiative wahrgenommen wird. Sie sind alle mindestens fünf Zentimeter gewachsen.“