Mal angenommen, Silvia Schmidt gewinnt die Wahl im September 2025. Was würden Sie tun, wenn sie nicht mehr Bürgermeister von Nettetal sind?
Bürgermeister Christian Küsters im Gespräch „Mich kann jeder beim Bäcker in ein Gespräch verwickeln“
Nettetal · Der Nettetaler Bürgermeister spricht darüber, wie er mit seiner Konkurrentin von der CDU umgehen wird.
Christian Küsters von den Grünen ist seit 2020 Bürgermeister von Nettetal. Seine Wahl war ein Erdrutsch: Er war der erste nicht CDU-Bürgermeister seit der Gründung der Stadt im Jahr 1970. In der vergangenen Woche hat die örtliche CDU Silvia Schmidt als Kandidatin für die Bürgermeisterwahl 2025 aufgestellt. Wie Küsters den Wahlkampf führen will und was er über seine Konkurrentin denkt, darüber hat er mit Silke Schnettler gesprochen.
Christian Küsters Da habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Dafür übe ich dieses Amt viel zu gerne aus. Manches braucht Zeit und ich konnte es noch nicht unmittelbar umsetzen. Es ist mein großes Ziel, dieses schöne Amt weiter auszuüben.
Was ist für Sie das Wertvollste daran, Bürgermeister zu sein?
Küsters Das Schönste ist für mich, unter die Menschen zu gehen. Deshalb bin ich auch viel und gerne im Karneval und bei den Schützen unterwegs. Ich finde, das macht dieses Amt aus: für die Menschen in Nettetal da zu sein.
Wie werden Sie denn den Wahlkampf gegen Silvia Schmidt führen?
Küsters Ich kenne sie gut und schätze sie sehr. Sie hat einen guten beruflichen Weg hinter sich und bringt sicher vieles mit. Und sie ist sehr engagiert. Kommunalpolitisch ist sie bisher noch nicht in Erscheinung getreten. Aber wofür sie politisch eintritt, wird sie in den nächsten Monaten ja vorstellen.
Wir alle haben die Schlammschlacht im US-Wahlkampf noch in frischer Erinnerung: Sie klingen Ihrer Konkurrentin gegenüber völlig anders, sehr respektvoll.
Küsters Ich halte viel von einem respektvollen Umgang miteinander. Ich glaube nicht, dass die Leute da draußen Streit sehen wollen, sondern gute Angebote. Mein Anspruch ist, für mein Angebot gewählt zu werden. Das wird ein sehr spannender Wahlkampf.
Als Sie zum Bürgermeister gewählt wurden, hatten die Grünen auf Bundesebene historisch hohe Erfolge. Inzwischen haben sie bei den Wählern rapide an Beliebtheit verloren.
Küsters Dass der Bund mir an dieser Stelle keinen Rückenwind mehr gibt, ist mir vollkommen klar. Aber die Bürgermeister-Wahl ist in erster Linie eine Personenwahl. In der Kommune geht es für die Bürger um konkrete Inhalte: Bekommen wir einen Kita-Platz? Komme ich mit dem Fahrrad sicher von Lobberich nach Leuth? Das sind die Fragen, an denen ich gemessen werde.
Was sagen Sie denn zu den Bundes-Grünen?
Küsters Was mich ärgert: Sie haben viele gute Ideen vorangebracht. Aber das ist von dem ganzen Streit in der Regierungskoalition überlagert worden. Zum Beispiel kommen wir in Nettetal mit der Windkraft nur gut voran, weil der Bund dafür die Voraussetzungen geschaffen hat.
Trotzdem ist man überrascht, wenn man Sie kennenlernt: Sie sind ein Ex-Bänker in Hemd und gutsitzendem Anzug. Sie erzählen positiv von Ihrer Zeit als Vorzeige-Soldat bei der Bundeswehr. Auch im Gespräch klingen Sie nicht wie ein typischer Grüner. Sie gendern nicht einmal konsequent. Passt die grüne Schublade eigentlich für Sie selbst?
Küsters (lacht) Die Themen Klimaschutz und Mobilität liegen mir wirklich am Herzen. Aber meine Mutter wählt beispielsweise immer schon CDU. Da gibt es also auch eine schon biografisch bedingte Nähe. Ich verstehe mein Amt so, dass ich für die ganze Stadt da bin. Mein Ziel hier vor Ort ist nicht, für eine bestimmte Klientel zu arbeiten, sondern einen breiten Konsens zu erreichen. Nur dann, mit vereinten Kräften, kann ich Nettetal nach vorne bringen.
Sie sind 2020 gemeinsam von den Grünen, der SPD und FDP nominiert worden. Auf Bundesebene ist diese Ampelbündnis ja gerade krachend gescheitert. Ist die Nettetaler Ampel hier in der kleinen Parzelle ein besseres Vorbild?
Küsters Ich kann wirklich sagen, dass es bei uns konstruktiv läuft: Im Rat hat es eine andere Kultur befördert, dass in Nettetal 2020 keine Partei die absolute Mehrheit bekommen hat. Fast alle Entscheidungen fällen wir einstimmig. Fast alles, was wir in den Rat eingebracht haben, wurde bisher auch umgesetzt.
Gehen Sie davon aus, dass die SPD und FDP in diesem Wahlkampf wieder hinter Ihnen stehen werden?
Küsters Die SPD steht genauso hinter mir wie meine Fraktion. Bei der FDP ist es noch nicht entschieden.
Sind gesunde Meinungsverschiedenheiten unter den Parteien nicht ein wesentliches Element der Demokratie?
Küsters Die Frage ist doch, wie man Diskussionen führt. Natürlich gibt es unterschiedliche Auffassungen. Das sehen wir aktuell zum Beispiel bei der Haushaltsdebatte. Aber ich frage dann: Welche Möglichkeiten gibt es, die Ansätze zusammen zu führen. Ich verstehe mich eher als Parteien-Moderator.
Aber als Bänker haben Sie zur Haushaltsdebatte doch sicher eine eigene klare Haltung
Küsters Ein guter Umgang mit Geld ist mir in die DNA geschrieben. Ich musste zu Hause auf dem Bauernhof immer mit anpacken. Auch als Schüler und Student hatte ich immer Jobs und habe gelernt, nicht leichtfertig mit Geld umzugehen. In der aktuell angespannten Haushaltslage ist für mich klar: Wir können nicht mehr ausgeben als wir haben. Aber natürlich müssen wir diskutieren, wo wir sparen können, so dass es am wenigsten weht tut. Darüber gibt es unterschiedliche Auffassungen. Aber auch dabei: Es geht mir nie um Machtkämpfe, sondern um das Ergebnis. Das zu vermitteln, ist mir wichtig. So verstehe ich meinen Auftrag der Bürger.
Sind Sie zu Hause in Ihrer Familie auch so ein Diplomat?
Küsters (lacht) Mein Familienleben ist jedenfalls sehr harmonisch. Meine Frau und meine Töchter stehen voll hinter, auch wenn ich durch mein Amt bedingt sehr viel unterwegs bin. Meine Frau ist mein ruhender Pol, sie erdet mich. Und auch zu meinen Töchtern im Teenageralter habe ich ein sehr inniges Verhältnis.
Sind Sie ein Familienmensch?
Küsters Absolut. Ich liebe nichts mehr, als mit meiner Familie zusammen zu sein. Und ist es phasenweise schmerzlich, wenn ich so viel unterwegs bin. Aber wir sorgen dafür, dass es genug Gemeinsames gibt. Zum Beispiel frühstücken wir jeden Morgen um 7 Uhr gemeinsam.
Silvia Schmidt habe ich für ein Interview zu Hause besucht. Könnten Sie sich auch vorstellen, dass wir dieses Gespräch auf Ihrer heimischen Couch führen würden?
Küsters (lacht) Silvia hat ja kein Rathaus, um sich zu treffen. Aber ehrlich gesagt: Das wäre mir nicht so lieb. Ich liebe den Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern. Sie können mich jederzeit morgens beim Bäcker ansprechen und mich in eine Diskussion verwickeln. Aber gerade weil ich sehr offen bin, brauche ich mein Heim als Privatsphäre. Das ist auch als Schutz für meine Familie wichtig.
Was machen Sie am liebsten mir Ihrer Frau und Ihren Kindern?
Küsters Wir machen total gerne Städtereisen. Die werden auch gemeinsam geplant, damit die Interessen aller Familienmitglieder vertreten sind. In den Herbstferien waren wir in Krakau und dort natürlich auch in Ausschwitz. Das hat uns alle sehr angefasst.
Was ist Ihnen dort besonders bewusst geworden?
Küsters Die Menschen rufen heute teils nach einer starken Hand. In Ausschwitz kann man sehen, wohin das führen kann. Mir ist klar geworden, was für ein Schatz unsere Demokratie ist. Sie muss gelebt werden und dafür stehe ich mit meiner ganzen Person ein.