Gedenkort in Nettetal Synagoge: Platz wird erneuert

Nettetal-Kaldenkirchen · Die Stadt will an dem Platz, wo einst die Kaldenkirchener Synagoge stand ein würdigeres Umfeld schaffen. Das jüdische Gotteshaus war 1938 von SA-Leuten zerstört worden. Das hatte nach 1945 ein Nachspiel vor Gerichten.

Eine Tafel auf der gegenüberligenden Straßenseite weist auf die ehemalige Synagoge hin. Doch das ist nicht genug Information, findet Bürgervereinsvorsitzende Elvire Kückemanns.

Foto: Ja/Knappe, Joerg (jkn)

Ohne Diskussionen, schnell und einstimmig entschieden: Der Platz, an dem die Synagoge in Kaldenkirchen stand, wird neu gestaltet. So haben es die Politiker des Betriebsausschusses des Rates in ihrer jüngsten Sitzung beschlossen. Sie folgten damit einem Wunsch, den der Bürgerverein Kaldenkirchen vor geraumer Zeit an die Stadt herantrug: eine würdigere Form der Erinnerung an die am 10. November von örtlichen Nationalsozialisten schwer beschädigte Synagoge. Bislang zieht zwar ein dunkler Pflasterstreifen im Boden nach, wo ein Teil der Außenmauern der Synagoge standen. Doch der wird immer wieder von parkenden Autos verdeckt. Und auch das bemängelt die Vorsitzende des Bürgervereins, Elvire Kückemanns: Es gibt nicht genügend Platz, an dem man Gedenkfeiern abhalten kann. Das soll sich nun ändern.

Die Verwaltung hat einen Plan vorgelegt, demzufolge zwei der Parkplätze an der Synagogenstraße wegfallen, was Raum für ein Hochbord und damit für Gedenkfeiern schafft.

Die dunklen Steine, die den Standort der Synagoge markieren, werden oft zugeparkt.

Foto: Holger Hintzen

Umgestaltung soll bis Ende des dritten Quartals 2023 fertig sein

Der Bürgerverein will eine Tafel finanzieren, die über die Geschichte der Synagoge und ihrer Zerstörung informiert. Die Umgestaltung will der Baubetriebshof der Stadt voraussichtlich bis Ende des dritten Quartals 2023 ausführen, dann soll auch die Tafel aufgestellt sein.

Wie eine Erinnerungsstätte würdiger als die bisherige in Kaldenkirchen aussehen kann, ist nach Ansicht von Elvire Kückemanns in Breyell zu sehen. Dort gibt es ein Mahnmal, um das sich auch Schüler der Gesamtschule im Stadtteil kümmern. Sie säubern auch regelmäßig Stolpersteine, die an ehemals in Breyell lebende und während des NS-Regimes deportierte und ermordete Juden erinnern.

In Kaldenkirchen wurde, so schreibt Leo Peters in seiner „Geschichte der Stadt Kaldenkirchen“ die Synagoge anders als in vielen anderen Städten Deutschlands nicht in der Nacht des 9. November 1938, sondern erst am 10. November zerstört. Damals legten SA-Männer den Dachstuhl frei, zersägten Tragebalken und brachten den Dachstuhl zum Einsturz. In Brand gesetzt wurde die Synagoge nicht, um die dicht angrenzenden Häuser nicht zu gefährden. Abgerissen wurden die Überreste erst 1960, sagt Kückemanns, die in Kindertagen auf ihrem Schulweg noch regelmäßig daran vorbeigekommen ist.

Die juristische Aufarbeitung des Anschlags auf die Synagoge hat sich bis in die 1950-er Jahre hingezogen. Leo Peters zitiert in seiner Ortsgeschichte einen Zeitungsbericht vom 12. Mai 1948. Demnach wurden 14 ehemaligen Kaldenkirchener SA-Männer zu diesem Zeitpunkt vor dem Krefelder Landgericht wegen der Verwüstung der Synagoge sowie von Wohnungen und Geschäften von Kaldenkirchener Juden angeklagt. Der Hauptangeklagte, der ehemalige SA-Sturmführer Perter Heußen, erhielt 15 Monate Gefängnis, acht Angeklagte wurden zu Haftstrafen zwischen acht Monaten und einem Jahr verurteilt, fünf wurden freigesprochen.

1949 gab es dann einen Revisionsprozess, in dem Heußen erklärte, er habe auf Befehl des Obersturmbannführers Gast gehandelt. Er habe aber nicht dem Befehl gefolgt, die Synagoge abzubrennen, sondern sie zum Schutz umliegender Häuser abgebrochen. Auch die Verwüstungen von Wohn- und Geschäftsfhäusern habe er auf ein Mindestmaß beschränkt. Sonderlich erfolgreich war diese Revision nicht: Es blieb bei Haftstrafen, Heußens Strafmaß von 15 Monaten wurde bestätigt.

In diesem zweiten Prozess wurde auch ein Kaldenkirchener Postbote angeklagt und zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt, weil er Juden besonders misshandelt haben sollte. Gegen dieses Urteil legte der Postbetriebsassistent Berufung ein. Diese wurde 1951 in Krefeld verhandelt. Ergebnis: Der Angeklagte stehe zwar in Verdacht, schwer belastet zu sein, befanden die Richter, aus Mangel an Beweisen erging jedoch ein Freispruch. Eine Zeugin namens Lion, die ausgesagt hatte, ihre Mutter sei aus dem Fenster geworfen worden, könne in Folge ihrer Erregung geirrt haben, hieß es in der Urteilsbegründung. Tatsächlich sei die Mutter aus dem Fenster gesprungen.