Großtauschtag bei Nettetals Briefmarkenverein „Wir sterben langsam aus“

Nettetal · Großtauschtage für Briefmarken sind selten geworden. Nettetaler Sammler halten die Tradition noch hoch und laden hin und wieder Gleichgesinnte von gesamten Niederrhein ein. Ein Besuch in den Gefilden einer schwindenden Art.

Beim Großtauschtag breiten Briefmarkensammler ihre Schätze aus. Das Hobby findet immer weniger junge Enthusiasten. Foto: Tasmin Backhaus

Foto: Tasmin Backhaus

Briefmarkensammlersind offenbar keine Langschläfer. Zumindest beim Großtauschtag, den die Nettetaler Briefmarkenfreunde jetzt für Sammler am gesamten Niederrhein im Saal des Vereinslokals „Zur Mühle“ organisiert haben, geht schon um 9 Uhr los: Ran an die Verhandlungen! An zwei langen Tischreihen laden Sammler zum Stöbern ein. Alles, was mit Briefmarken zu tun hat, ist nun relevant: ob normale Briefmarken, national oder international, mit Motiv oder ohne Motiv, oder auch Belege – was der Fachbegriff für allerlei Sendungsarten wie zum Beispiel Postkarten oder Ansichtskarten ist.

Eine der wenigen weiblichen Ausstellerinnen im Saal ist Birgitt Jacobs. Ihre Sammlung stellt sie in kleinen Boxen zur Schau. Sie sammelt ausschließlich Briefmarken, darunter sind selbstverständlich auch deutsche, denn: „Jeder, der im deutschen Briefmarkenverein ist und sammelt, sammelt auf jeden Fall auch deutsche Briefmarken“, sagt Jacobs. Diese seien schließlich am einfachsten zu besorgen. Trotzdem interessiert sich Jacobs auch internationale Briefmarken und insbesondere für solche mit Comic-Motiven. „Ich sammle selbst Comics, das ist einfach mein Spezialgebiet.“ An Tauschtagen biete sie ihre Duplikate an. Das Schöne an Briefmarken mit Comic-Motiven sei der persönliche, bereits vertraute Aspekt. „Es macht mehr Spaß, Briefmarken vom Dschungelbuch zu sammeln als Briefmarken mit Stempeln“, so die Ausstellerin.

In ihrer Kindheit hat Jacobs ihre Leidenschaft für Briefmarken entdeckt. Angefangen habe es mit Briefmarkenpäckchen aus Tante-Emma-Läden. Die Päckchen habe sie später auf dem Trödelmarkt verkauft. „Ich habe das Sammeln wiederentdeckt, als mir mein Vater zur Hochzeit eine Briefmarkensammlung geschenkt hat. Mein Mann hatte auch eine, wir haben dann unsere Sammlungen zusammengelegt“, erzählt Jacobs.

Vielen Briefmarkenliebhabern ergeht es ähnlich. In der Kindheit entdecken sie das Hobby für sich, trennen sich als junge Erwachsene davon und kehren Jahrzehnte später wieder zurück. Das sind allerdings zu wenige, denn: „Wir sterben langsam aus“, sagt Matthias Kästner, Vorsitzender der „Briefmarkenfreunde Nettetal“. „Die meisten hier sind über 60 und sammeln bis ans Lebensende. Leider kriegen wir aber kaum Nachwuchs.“ Damit meine er nicht den typischen Nachwuchs wie Kinder, Jugendliche oder junge Erwachsene, sondern viel mehr 40- bis 50-Jährige, die sich nun wieder auf ein Hobby konzentrieren, dem sie neben der Arbeit nachgehen. Nach der Corona-Pandemie habe es die Briefmarkenvereine besonders getroffen, sagt Kästner: „Zu der Zeit sind viele ausgetreten. Der Neusser Verein musste sich zum Beispiel auflösen. Wir haben 2018 noch 42 Mitglieder gehabt, 2022 waren es dann 34. Wir werden immer weniger.“

Trotzdem veranstaltet der Verein zweimal im Jahr Großtauschtage, um die Gemeinschaft zu fördern. „Jeder Verein hat ein- bis zweimal im Monat intern seine Tauschtage. Die Großtauschtage haben viele jedoch abgeschafft, weil es ihnen zu aufwendig war.“ An diesen Tagen kann jeder vorbeikommen, der möchte – auch Sammler, die nichts mit dem Verein zu tun haben, sowie interessierte Neulinge. Der Unterschied zu anderen regelmäßigen Tauschabenden des Vereins besteht im Umfang der Aktion. Der Großtauschtag dauert nicht zwei, sondern mindestens vier Stunden und wendet sich an auch Nicht-Vereinsmitglieder.

Auch das Internet und Smartphones fordern ihren Tribut. „Das Interesse ist weg. Die Briefmarke ist ein Mittel zum Zweck, um Informationen in Briefen hin und her zu schicken. Heutzutage schreibt man E-Mails und hat kaum noch Verwendung für Briefmarken“, sagt Kästner. Trotzdem lohne sich das Sammeln als Hobby, wenn man einen persönlichen Bezug dazu habe. Daher richten viele Anfänger ihr Interesse zunächst gerne auf heimatbezogene Themen. Kästner ist beispielsweise in der DDR aufgewachsen und fokussiert sich auf DDR-Briefmarken.