Aktion für Inklusion in Nettetal „Bank gegen Ausgrenzung“ erneut von Unbekannten angesägt
Nettetal · Die speziell gestaltete Bank am Wittsee soll dafür werben, keine Menschen auszugrenzen. Gestiftet wurde sie von der Familie eines Nettetalers mit Behinderungen. Unbekannte haben sie zum zweiten Mal beschädigt.
Claudia Lienen ist enttäuscht, und verärgert ist die Nettetalerin auch. Ein Unbekannter oder mehrere unbekannte Täter gemeinsam haben eine Planke einer Bank, die am Übergang über den Wittsee steht, abgetrennt. Fein säuberlich mit einer Säge. Die Bank, die die Lienens 2021 gestiftet haben, ist kein gewöhnliches Sitzmöbel, sondern eines mit einer Botschaft. „Kein Platz für Ausgrenzung“ steht darauf – das letzte Wort ist auf einer Planke der Rückwand zu lesen. Die ragt so weit über die Sitzfläche seitlich hinaus, dass ein Rollstuhl dort geparkt werden kann, der Rollstuhlfahrer also einen Platz neben den anderen Menschen auf der Bank hat. Und genau dieses Stück der Planke wurde jetzt abgesägt. „Wer geht bitte mit einer Säge im Wald spazieren und macht so etwas zufällig aus einer Laune? Keiner, da steckt eine klare Absicht hinter“, sagt Claudia Lienen. Ein weiteres Indiz dafür, dass sich die Aggression des Täters oder der Täter gezielt gegen eine Aussage „Kein Platz für Ausgrenzung“ richtet: Die Bank wurde Ende 2022 schon einmal auf exakt die gleiche Weise beschädigt.
Nettetals Bürgermeister Christian Küsters ist darüber so empört, dass er Zeugen, die Hinweise auf den oder die Täter geben können, in einem Internet-Post um Hinweise gebeten hat. Claudia Lienen ist über die Sachbeschädigung aus besonders gutem Grund sauer. Ihr 21-jähriger Sohn Jonas ist Rollstuhlfahrer. Die von den Lienens gestiftete Bank wurde an einem Lieblingsplatz ihres Sohnes aufgestellt. „Wir haben sicherlich freie Meinungsäußerung in Deutschland, aber wenn man mit dem Satz ,Kein Platz für Ausgrenzung’ ein Problem hat, finde ich das sehr bedenklich und das gibt auch niemandem das Recht mutwillig öffentliches Eigentum zu beschädigen“, sagt Lienen.
Ein Unikat ist das Nettetaler Modell nicht und bei der Devise „Kein Platz für Ausgrenzung“ geht es auch nicht nicht nur um Menschen mit Behinderung. Der Verein Lebenshilfe Heinsberg, der sich für Menschen mit Behinderung engagiert, hat solche Bänke in einer Kampagne bekannt gemacht. Hergestellt werden sie in einer Schreinerei, die als gemeinnütziger Betrieb in Trägerschaft der Lebenshilfe arbeitet. „Menschen erfahren auf vielfältige Weise Ausgrenzung – zum Beispiel wegen einer Krankheit oder einer Behinderung, wegen Armut, Obdachlosigkeit, Religion oder Hautfarbe: Andersartigkeit wird häufig als minderwertig betrachtet“, beschreibt der Verein die Ziele der Kampagne.
Auf welch vielfältige Weise die Aktion gegen verschiedene Formen der Ausgrenzung eingesetzt wurde, ist in einem Bildband dokumentiert. Der zeigt Fotos von Menschen, die in unterschiedlichen Kontexten auf einer Bank Platz genommen haben – vom Travestiekünstler bis zum Landrat, der Schirmherr der Aktion ist. Bis zum Sommer 2022 wurden 800 solcher Bänke aufgestellt, unter anderem in Frankreich und der Ukraine. Gefördert wird das Projekt unter anderem vom NRW-Heimatministerium und der Aktion Mensch.
Über die Lebenshilfe ist auch Claudia Lienen auf die Bank aufmerksam geworden. Spontane Reaktion: Prima, das passt auch zu Nettetal. Die Stadtverwaltung zeigte sich für die Idee offen und erklärte sich bereit, die gestiftete Bank aufzustellen.
Dass es den Tätern konkret um Jonas geht, das hielt Claudia Lienen schon für unwahrscheinlich, als die Bank im vergangenen Jahr zum ersten Mal angesägt wurde. Schon damals schien ihr pausibler, dass sich jemand mit dem generellen Appell gegen Ausgrenzung ein Problem hat. Klein beigeben wollten die Lienens aber nicht. Zumal in einem Zug auch noch eine hässliche Schmiererei beseitigt werden konnte. „Im Juni ’23 hatten wir dann das neue Brett besorgt und bei der Montage haben wir dann auch gleich das Hakenkreuz – welches inzwischen auf die Bank mit Edding gemalt wurde – weggeschliffen“, berichtet Lienne. „Ich sage damit nicht, dass da ein Zusammenhang besteht. Aber traurig ist beides und es macht nachdenklich.“
Von der zweiten Attacke gegen die Bank hat Claudia Lienen durch Bekannte erfahren, die am Wittsee waren und ihr am Sonntag, 13. August, ein Foto der neuerlich beschädigten Bank schickten. Wenige Tage zuvor hatte Lienen noch dort gesessen. Ersatz für die abgesägte Planke ist bereits bestellt.