Als Zaungast unterm Wasserwerfer

Menschen: Viersens SPD-Chef war 1968 auf einer Demo in Berlin. Und sein Anzug war hinüber.

Viersen. 40 Jahre sind vergangen. Die Generation 68, ein politischer und kultureller Aufbruch ging von ihnen aus. Demonstrationen gegen den Krieg in Vietnam, für die sexuelle Befreiung und die experimentelle Kunst sind damit ebenso verbunden, wie der Begriff der jugendlichen Rebellion. Die strengen (Doppel-)Moralvorstellungen und die Tabuisierung der Sexualität waren zwei der wichtigsten Ankerpunkte, gegen die Ende der 60er Jahre protestiert wurde.

Ein "68er Kind" ist der heutige Partei-und Fraktionsvorsitzende der SPD in Viersen, Alfons Görgemanns: "Ich schätze an den 68ern, dass sie die Gesellschaft grundlegend verändert haben. Dinge, die früher undenkbar waren, gingen auf einmal. Die Politik fand jetzt praktisch öffentlich statt."

Alfons Görgemanns (64) wuchs wohlbehütet auf dem Land auf und kam mit den 68ern in Berlin in Berührung. Das war jedoch schon 1966. Der gelernte Industriekaufmann erinnert sich, dass er 1966 Demos hautnah in Berlin erlebt hat. "Das hat mich sehr berührt."

Für ihn sei das damals "ein völlig neues Erlebnis" gewesen. Für ihn war Rudi Dutschke die zentrale und beeindruckende Figur der 68er. "Die Leute stellten damals alles in Frage. Ich selbst habe die Zeitschrift "Konkret" gelesen, bin zu Veranstaltungen gegangen und habe mitgeredet, aber ich habe 1968 auch geheiratet und hatte so zwangsläufig auch viele andere Gedanken, die in meinem Leben eine Rolle spielten."

Welche Fehler haben die 68er gemacht? Was haben sie bewegt? Bei den Fehlern stellt Görgemanns schnell fest, dass sehr viel maßlos übertrieben worden sei. "Viel Befreiung ist in die Erziehung von Kindern gebracht worden, aber man kann es auch übertreiben mit einer gnadenlosen Freiheit."

Görgemanns hat auch gute Dinge entdeckt: "Im Nachhinein bin ich von Joschka Fischer beeindruckt." Und: "Der gesellschaftliche Wandel war schon sehr stark."

Ein Aha-Erlebnis gab’s für ihn auch. Er hatte sich für eine neue Stelle in Berlin beworben, war dorthin gereist. Für die Vorstellung hatte er sich einen neuen dreiteiligen Anzug (mit Weste) zugelegt. Auf dem Rückweg geriet er in eine Demonstration, wurde von Wasserwerfern getroffen, und sein Anzug sah danach alles andere als neu aus.