Kreishaus: Ein Martyrium für Behinderte
Für Rollstuhlfahrer ist das Kreishaus mit seinen Treppen ein unüberwindliches Hindernis, sagen Experten.
Viersen. "Teilhabe jetzt-gleiches Recht für alle!" Dieses Motto zum Europäischen Protesttag für die Gleichstellung der Menschen mit Behinderung wird auch in diesem Jahr in der Kreisstadt Viersen mit einer örtlichen Aktion begleitet. Diese wird am Samstag auf dem Sparkassenvorplatz in Viersen stattfinden. Ausrichter ist der Paritätische Wohlfahrtsverband in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis für Behindertenfragen in der Stadt Viersen.
Gefördert wird der Tag von der Aktion Mensch. Mit von der Partie sind außerdem der Kreis-Blindenverein, die Gruppe BIS aus Brüggen, die Freiwilligenzentrale, der Freundeskreis Rollstuhlfahrer und weitere Gruppen. Die Veranstaltung soll dazu dienen, Behinderte und Nichtbehinderte miteinander ins Gespräch zu bringen.
Heinz-Jürgen Antwerpes, der wohl bekannteste Viersener Rollstuhlfahrer und Kämpfer für die Gleichstellung, vertritt die Ansicht, dass "das Ziel des Gleichstellungstages", der alljährlich stattfindet "noch nicht in den Köpfen der Menschen angekommen" sei. Und er ergänzt: "Es ist offensichtlich nicht so einfach, die Problematik in den Köpfen der Menschen zu verankern." Antwerpes bezeichnete das Kreishaus in Viersen als ein "Martyrium für Rollstuhlfahrer" und listete gleichzeitig auf, was dort alles nicht in Ordnung ist.
Selbst wenn man es als Rollstuhlfahrer geschafft haben sollte, ins Kreishaus zu kommen, dann gibt es dort, so Antwerpes "einen Dschungel von Türen", die Rollstuhlfahrer am Weiterkommen hindern. Helmuth Ruth, schwer sehbehindert und Mitglied des Rates der Stadt, spricht weitere Fehler an. Vom Vorplatz zwischen dem Forum und dem Stadthaus führe, so Ruth, "kein barrierefreier Weg in die Stadt".
Auch die Treppen zum Stadthaus ernten Kritik. "Mit einem Rollator oder Rollstuhl nur schwer überwindbar", lautet das Urteil. Die Handläufe an den Treppen sind alles andere als behindertengerecht. Barrierefrei bedeutet, so Ruth: "Komfort und vor allem Sicherheit für alle Menschen."
Antwerpes kritisiert in diesem Zusammenhang, dass es in Viersen keinen Behindertenbeauftragten gibt. Sein Wunsch: Ein Behindertenbeirat müsse ins Leben gerufen werden. Helmuth Ruth vermisst bei den Verantwortlichen die "Sensibilität" für die Behinderten.
Das aktuellste Beispiel tragen Antwerpes und Ruth gemeinsam vor: Das Technische Rathaus wurde umgebaut und erhielt einen Aufzug, doch die Türen auf den Fluren zu den Zimmern der Sachbearbeiter sind immer noch nicht behindertengerecht. Außerdem fehlen Markierungen an den Glastüren im neuen Stadthaus. Eine besondere Gefahr für Sehbehinderte. Karl Boland vom Paritätischen hofft, dass man mit der Aktion am kommenden Samstag einen erneuten Denkanstoß geben kann.