NRW Letzter Pieks im Impfzentrum

Kreis Viersen · Fast 200.000 Corona-Schutzimpfungen wurden im Impfzentrum für den Kreis Viersen verabreicht. Morgen ist Schluss. Neben Medizinern halfen auch Freiwillige mit, vom Koch bis zum Piloten. Sie blicken mit Wehmut zurück.

Das Impfzentrum öffnet am Donnerstag zum letzten Mal seine Türen.

Foto: Martin Röse

(mrö) Das Bitten um eine Verlängerung beim Land NRW hat nichts genutzt: Am Donnerstag schließt das Viersener Impfzentrum für immer. Knapp 200 000 Schutzimpfungen gegen das Coronavirus wurden dort gespritzt. Das ist nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein knapp die Hälfte aller Impfungen im Kreis. Mit der Schließung setzt der Kreis einen Erlass des Landes NRW um. Die Nachbarstadt Krefeld hingegen erhielt vom Land NRW eine Ausnahme, darf ein Impfzentrum in kleinerem Umfang weiterführen. Landrat Andreas Coenen (CDU) erklärte am Mittwoch: „Unser Impfzentrum wurde von unserer Bevölkerung hervorragend angenommen. Es war ein wichtiger Baustein in der Bekämpfung der Pandemie.“

Der Kreis hatte das Impfzentrum im Dezember 2020 kurzfristig eingerichtet. Das Gebäude im ehemaligen Dülkener Krankenhaus an der Heesstraße gehört dem Allgemeinen Krankenhaus (AKH) Viersen, das mit dem Kreis eng kooperierte. In Betrieb ging das Impfzentrum am 9. Februar, als genug Impfstoff zur Verfügung stand. Seitdem wurden vom Team des Impfzentrums 104 800 Erstimpfungen und 96 400 Folgeimpfungen vorgenommen. Ein Teil der Dosen, knapp 10 500, wurden seit März an 150 öffentlichen Orten angeboten, etwa an Baumärkten, Moscheen oder Sportstätten. Am 28. April wurde mit 1778 Impfungen im Impfzentrum der Höchstwert erreicht.

Und wie geht’s ab Freitag weiter? Dann übernehmen knapp 60 Arztpraxen im Kreis Viersen die Schutzimpfungen, darunter auch Urologen und andere Fachärzte. Eine Übersicht, welche Ärzte die Impfungen anbieten, findet sich auf der Internetseite des Kreises Viersen. Werden die Praxen nun deutlich voller? Bei zuletzt rund 180 Impfungen im Impfzentrum pro Tag kommen in jede der rund 60 Praxen drei Patienten

Der Landrat bedankte sich bei allen Einsatzkräften, die im Impfzentrum tätig waren oder an den zahlreichen mobilen Impfaktionen beteiligt waren: „Ihre hohe Einsatzbereitschaft hat uns bei der Bekämpfung der Pandemie entscheidend vorangebracht. Dafür danke ich Ihnen herzlich.“ Auch viele Bürger lobten die gute Organisation und wie freundlich sie von allen Kräften behandelt wurden.

Kosten für die Umrüstung beliefen sich auf 1,9 Millionen

Die Kosten für die Umrüstung sowie den baulichen und technischen Betrieb des Impfzentrums beliefen sich von Dezember 2020 bis September 2021 auf 1,9 Millionen Euro brutto – macht pro Pieks 9,86 Euro, Personal und Impfstoff nicht mitgerechnet. Der Kreis hat die Summe vorgestreckt, Bund und Land erstatten das Geld je zur Hälfte. Mehrere hundert Mitarbeiter waren im Impfzentrum beschäftigt, darunter vom Kreis Viersen 55, weiterhin mehr als 180 Apotheker und pharmazeutisch-technische Assistenten sowie vom Deutschen Roten Kreuz 67 hauptamtliche und etwa 30 ehrenamtliche Helfer. Von Seiten der Kassenärztlichen Vereinigung waren 130 Ärzte, 66 medizinische Fachangestellte, elf ärztliche Leiter und 67 Kräfte in der Administration im Einsatz. Zwischenzeitlich halfen auch Soldaten der Bundeswehr aus. Und: Neben dem medizinischen Personal und den Sicherheits- und Reinigungskräften waren auch zahlreiche Quereinsteiger beim Impfzentrum im Einsatz: Hausfrauen, Rentnerinnen und Rentner, mehrere Kraftfahrerinnen und -fahrer, Studierende, eine Yogalehrerin, ein Flugkapitän und ein Koch. „Das Miteinander ist wie eine Familie“, erklärte einer der Quereinsteiger. Und Karlheinz Frenken, Einsatzleiter vom Dienst, berichtet von einer Quereinsteigerin, die sagte: „Ich bin traurig, dass es hier endet und weiß, dass ich am Ende weinen werde.“ Ihnen allen sei gemein, dass sie die Arbeit im Impfzentrum als dankbare und sinnvolle Aufgabe empfinden. Und Frenken berichtet von einem 16-jährigen Syrer, der ohne Unterschrift eines Sorgeberechtigten zum Impfen kam. „Alle Mitarbeiter haben sich so lange bemüht, bis die Unterschrift beigebracht und der junge Mann geimpft werden konnte. So erhielt er ohne lange Bus-Hin- und Herfahrten seine Impfung.“ Auch die Impflinge seien sehr freundlich gewesen: „Eine ältere Dame wollte geimpft werden. Sie gab dem Mitarbeiter am Check-in ein Kärtchen, ein Tütchen mit Gummibärchen sowie ein selbstgeschriebenes Gedicht, in dem sie dem Mitarbeiter gedankt hat, dass sie geimpft wird“, so Frenken. Eine andere Frau stickte mehr als 100 Schlüsselanhänger in Form von Impfengeln, die sie an alle Mitarbeiter im Impfzentrum verteilte.

Es gab auch heitere
Begegnungen im Impfzentrum

Der Arzt Arndt Berson erinnert sich auch an heitere Begebenheiten im Impfzentrum: „Als lustig in Erinnerung geblieben ist mir die Nachfrage eines Impflings nach einer Unverträglichkeit des Impfstoffs bei Kamille- und Sellerieallergie — und die Einteilung eines Impfarztes, der in Unterhemd und Schutzkittel impfen wollte.“

Regina Bormann von der Pharmazeutischen Leitung des Impfzentrums schildert den hohen Aufwand hinter jeder einzelnen Impfung: „Der Impfstoff von Biontech darf niemals geschüttelt, sondern nur zehnmal geschwenkt werden, sowohl vor dem Verdünnen mit steriler Kochsalzlösung als auch nach dem Druckausgleich nach der Verdünnung.“ Die Mitarbeiter hätten in bis zu vier Schichten pro Tag, zum Großteil an sieben Tagen die Woche, desinfiziert, rekonstituiert, geschwenkt und aufgezogen. Bormann: „Für alle stellte die Zeit im Impfzentrum eine immense Herausforderung dar, die wir aber in hervorragender Zusammenarbeit mit allen Berufsgruppen und Aufgabenbereichen gemeistert haben.“