Serie: Denkmäler in Viersen Ein Brief aus dem Jahr 1928

Viersen-Dülken · Am 8. September, dem Tag des offenen Denkmals, öffnen sich die Türen an der Viersener Straße 61 in Dülken. Es handelt sich um die Villa, die um 1860 für den Textilunternehmer Franz Gierling erbaut wurde.

Schon der Eingang ist imposant. Wer vor der doppelflügeligen Holztür mit dem Rundbogenoberlicht an der Viersener Straße 61 in Dülken steht und auf die Kassetten samt der beiden dicken runden Türklopfer blickt, der erfährt ein Stückchen Geschichte. Den Eindruck verstärkt die alte schwarze Laterne, die sich rechts neben der Tür befindet. Sie stammt nämlich ebenso aus der Zeit um 1860 wie die Haustüre.

Wer eintritt weiß nicht, ob er zuerst auf die großformatigen Steinplatten aus Blaustein und den Parkettboden oder die Stuckdecken in vier Meter Deckenhöhe blicken soll. „Es ist kaum vorstellbar, dass diese fantastischen Decken einst abgehangen worden sind“, sagt Ellen Westerhoff, die Leiterin der Denkmalpflege der Stadt Viersen. Was allerdings von den meisten Besuchern keine Beachtung erfährt, ist der handgeschriebene Brief, der linker Hand im Flur in einem schlichten schwarzen Rahmen mit Passepartout steckt. Dabei ist er etwas ganz Besonderes. Er stammt vom 22. Januar 1928 und ist in altdeutscher Schrift abgefasst.

„Dass wir diesen Brief noch besitzen verdanken wir umsichtigen Handwerkern“, sagt Denise Wilms, die sich zusammen mit ihrem Mann Tobias für den Kauf des Hauses entschieden hat. Als das Ehepaar die ehemalige Villa des Textilunternehmers Franz Gierling Anfang 2022 erwarb, befand sich das um 1860 erbaute Haus in einem desolaten Zustand. Unter anderem hatte es einen Brand gegeben, der Löschwasserschäden mit sich gezogen hatte.

Die Wilms machten sich zusammen mit Fachleuten an die aufwendige Sanierung, bei der auch festgestellt wurde, dass die Decken einst abgehangen worden waren und sich kunstvolle Stuckarbeiten dahinter verbargen. Beim Abriss der Zwischendecken entdeckten Handwerker im Flur einen Brief, der an der alten Gasleitung an der Decke befestigt war. Sie warfen ihn nicht achtlos weg, sondern überreichten ihn den Hausbesitzern.

Die ehemalige Industriellenvilla der Familie Gierlings ist ein imposanter Bau.

Foto: Bianca Treffer

Der Brief stammt von Frau Victor Gierlings, geborene Annchen Fuesers und in ihm erklärt sie, warum sie die alte Decke mit dem Stuck im Flur einst abgehangen haben. „Um viel Dreck und Staub im Hause zu sparen, wollen wir die alte Decke mit dem Stuck, welche seit 40 Jahren besteht, nicht abhauen, sondern lassen eine neue Decke 30 cent. tiefer setzen. Augenblicklich ist Stuck nicht modern“, schreibt sie in ihrem Brief. Des Weiteren hat sie in dem Brief festgehalten, dass ihr Sohn Paul nach ihrem Tode das elterliche Haus wohl übernehmen werde, da ihr Sohn Kurt im Alter von 40 Jahren verstarb und auch ihre Tochter Irma, 31 Jahre jung, verstorben war. Was Fuesers nicht ahnen konnte, auch ihr Sohn Paul sollte vor ihr versterben.

Die Wilms haben sich nämlich die Mühe gemacht nicht nur den Brief achtungsvoll zu verwahren, sondern auch die Geburts- und Sterbedaten der genannten Personen zu eruieren. Vor dem Hintergrund, dass die Villa heute ein Notariat beherbergt und damit von etlichen Bürgern besucht wird, kennen viele Menschen das Erdgeschoss des unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes. Was sie aber nicht kennen sind der Keller und das Dachgeschoss. Beides öffnen die Wilms am Tag des offenen Denkmals.

Der Keller punktet mit seinen gewaltigen Gewölbedecken. Die Backsteinwände, die die gemauerten Gewölbe tragen, vermitteln Werte, die dieses historisch bedeutsame Haus eines Industriellen einst auszeichneten. Wer das breite Treppenhaus betritt und nach oben geht, der trifft auf rundbogige Treppenhausfenster mit feingliedrigen Teilungen, die sich durch Rautenmuster, zum Teil mit Buntglaseinsätzen versehen, auszeichnen.

Sind diese auf dem Weg in die erste Etage sehr aufwendig gestaltet, so werden sie eine Etage höher schlichter. „Oben befanden sich die Gesindezimmer und daher war wohl auch das Treppenhausfenster weniger komplex gehalten“, sagt Westerhoff. Der Blick aus diesen Fenstern fällt auf einen mächtigen Birnbaum und eine wunderschöne Blumenwiese. Der Blick ist es auch, der im Dachgeschoss begeistert. Allerdings muss man dafür in die Hocke gehen. Insgesamt bietet dieses faszinierende Haus einige sehr spannende Ecken.