Erster Christopher Street Day „Dies ist ein bedeutender Tag für den Kreis Viersen“

Kreis Viersen · Viele hundert Menschen haben am Sonntag den ersten Christopher Street Day im Kreis Viersen gefeiert. Es war eine bunte Party – mit mahnenden Zwischentönen.

Gut 500 Menschen kamen zu Beginn der Kundgebung auf den Sparkassenvorplatz in Viersen. Im Laufe des Tages stießen immer wieder neue Leute hinzu.

Foto: Martin Röse

Es sind Bilder, die man aus Großstädten wie Berlin, Köln oder Frankfurt schon kennt, im ländlichen und eher konservativ geprägten Kreis Viersen aber waren sie am Sonntag zum ersten Mal zu sehen: Hunderte Menschen zogen bei der Premiere eines „Christopher Street Day“ mit Regenbogenflaggen durch die Straßen, schufen Sichtbarkeit für die Interessen und Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und allen, die queer sind. Nach Polizeiangaben waren es rund 300 Demonstranten, zur Kundgebung auf dem Sparkassenvorplatz kamen laut Polizei zunächst gut 500 Menschen. Im Laufe des Nachmittags stießen immer wieder neue Leute dazu.

„Wir stehen hier für Vielfalt, für Demokratie und setzen damit ein Zeichen gegen Hass, Intoleranz und Hetze“, sagte Mitorganisator David Nethen vom Verein „Kreis Queersen“. „Ich bitte euch: Feiert euch und eure gemeinsame Zukunft. Habt Spaß!“

Nicht nur Viersener waren zur Kundgebung gekommen, auch aus den anderen Städten und Gemeinden des Kreises waren Teilnehmer angereist. „Ich finde das prima, dass es den Christopher Street Day jetzt auch im Kreis Viersen gibt“, sagte Frederik Schön. „Sonst sind wir dafür immer nach Köln gefahren.“ Das Klima in der Gesellschaft habe sich in den vergangenen Jahren verbessert, doch nach wie vor würden Schwule und Lesben diskriminiert. „Gerade in den sozialen Netzwerken wird viel gehetzt.“ Schirmfrau des ersten CSD im Kreis war Bürgermeisterin Sabine Anemüller (SPD). „Das Grundgesetz stellt die unantastbare Würde des Menschen voran. Es verankert das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit“, sagte Anemüller. Es sei wie ein Schutzraum für Menschen. „Einen Schutzraum stellt auch Ihr neuer Verein Kreis Queersen dar“, sagte Anemüller an Nethen gewandt. „Euer Verein gibt Schutz, schottet sich aber nicht ab. Das macht dieser erste CSD mit dem Umzug durch die Stadt sehr deutlich.“ Dieser Tag fordere ein „Mehr an Vielfalt“ ein, so die Bürgermeisterin. „Queere Personen erleben Hass und Hetze. In den sozialen Medien ploppt das leider gewaltig auf.“ Dass bei ihnen immer wieder das Gefühl ausgelöst werde, gehasst zu werden, sei unerträglich. „Ausgrenzung und Abwertung sind nicht hinnehmbar“, so Anemüller.

Ein wenig entfernt beobachten drei ältere Damen das Geschehen auf dem Platz. Was halten sie vom ersten CSD? „Ich finde das prima“, sagt eine der drei. „Meine Tochter liebt eine Frau. Für mich ist das mittlerweile längst normal.“ Wenige Schritte weiter blicken vier junge Männer auf den Sparkassenvorplatz. „So darf sich ein Mann nicht anziehen“, sagt einer und deutet auf einen Besucher der Kundgebung im kurzen Lederrock und macht dann eine weite Geste. „Die gehören alle in den Flieger.“ Vom Sparkassenvorplatz schallt ein Song der Band Die Ärzte herüber. „Deine Gewalt ist nur ein stummer Schrei nach Liebe. Deine Springerstiefel sehnen sich nach Zärtlichkeit...“

Auch Nettetals Bürgermeister Christian Küsters (Grüne) ist gekommen. „Ich habe mich gefreut, auch einige Leute aus Nettetal hier zu sehen“, berichtet er, bevor er die Bühne betritt. „Heute ist ein bedeutender Tag für den Kreis Viersen“, sagt er. „Es erfüllt mich mit Freude, dass wir heute hier ein Zeichen setzen. Ein Zeichen für Vielfalt, für Toleranz und für das Recht eines jeden Menschen, so zu leben und zu lieben, wie er oder sie es möchte.“ Allerdings sei ihm auch bewusst: „Wenn das Hissen einer Regenbogenfahne oder die Ankündigung eines CSD in den sozialen Medien erschreckend viele Hasskommentare hervorruft, liegt noch einiges an Arbeit vor uns.“

Was schon erledigt ist, schildert der langjährige CDU-Bundestagsabgeordnete Uwe Schummer, der nach der Aufgabe seines Bundestagsmandats öffentlich machte, dass er einen Mann liebt: Seit dem 11. Juni 1994 gibt es in Deutschland keine strafrechtliche Sondervorschrift zur Homosexualität mehr, erinnert Schummer, der „Schwulenparagraf“ 175 wurde abgeschafft.

Und der nächste CSD? Findet nächstes Jahr wieder Anfang Juni statt. Dann in Nettetal, kündigte Nethen an.