Wilde Tänze und Märsche ohne Musik
Die Show „Bodies in Urban Spaces“ von Willi Dorner war an zehn Orten der Stadt zu sehen.
Viersen. Als die acht Tänzer der Willi-Dorner-Compagnie synchron auf den Hof der Körnerschule in Viersen marschieren, ist das Publikum bereits in ihren Bann gezogen. Als sie nebeneinander in einer Reihe stehen, beginnt die Choreografie. In unzähligen Abfolgen bewegen sich ihre Köpfe erst von links nach rechts, dann stampfen die Tänzer mit dem Fuß auf, drehen sich um ihre eigene Achse oder tauschen den Platz mit ihrem Nachbarn. Alles im gleichen Rhythmus — obwohl keine Musik läuft.
Das Kunstprojekt „Every-one“ stammt vom österreichischen Choreografen Willi Dorner. Zum zweiten Mal ist Viersen Schauplatz für seine Kunst im und mit dem städtischen Raum. Nach dem Projekt „Bodies in Urban Spaces“ folgte nun das zweite, das zugleich Deutschland-Premiere feierte. Rund 150 Zuschauer hatten sich trotz der hohen Temperaturen das neue Projekt angesehen: „Das war ein ganz anderer Ansatz als beim letzten Mal und etwas völlig Neues“, sagt Zuschauer Ekkehart Köhler. „Es hat mir sehr gut gefallen. Viersen kann stolz darauf sein, so etwas nach Deutschland geholt zu haben.“
In mehreren Szenen führten die Tänzer durch die südliche Viersener Innenstadt und lenkten an zehn Stationen den Blick auf die architektonische Umgebung. Esther Steinkogler, choreografische Assistenz, hatte bereits beim letzten Mal die Plätze in Viersen ausgewählt.
Die Performance knüpfte an die 1920er-Jahre an, die den Beginn des modernen Lebens widerspiegeln. „Die Industrialisierung hatte auch Auswirkungen auf die Kunst. So sahen alle Tänzer gleich aus, waren gleich groß und tanzten gleich. Mit diesen Elementen spielt unsere Choreografie. Teilweise auch mit Humor und Ironie“, erklärt Steinkogler. Darum unterschieden sich alle Tänzer voneinander, sowohl in ihrem Aussehen als auch in ihrer tänzerischen Ausbildung. Im Hinterhof eines Gebäudes am alten Gymnasium bildeten die Tänzer ein menschliches Fließband, indem sie Tassen, Löffel und ein gesamtes Service durch ihre Reihen laufen ließen. In einem Garagenhof an der Remigiusstraße entstand ein militärisches Bild: Die Tänzer marschierten. Ihr Stampfen hallte im Hof nach. „Damit wollen wir zeigen, dass die Ästhetik der Einheitlichkeit auch durch Faschismus missbraucht wurde und es kein großer Schritt vom Varieté bis zum Stechschritt ist. Regime haben das genutzt, um sich den idealen Bürger zu schaffen“, erklärt Steinkogler. lea