Abmahnungen: Im Netz der Betrüger

Tausende Abmahnungen verschickte eine Anwaltskanzlei an vermeintliche Besucher der Pornoseite Redtube. Auch ein Willicher wehrt sich dagegen.

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Willich/Berlin. Mehrere Zehntausend Abmahnungen landeten Anfang Dezember vorigen Jahres im Briefkasten von Telekom-Kunden. Der Vorwurf: Sie hätten über eine Internetverbindung des Kommunikationsriesen auf Redtube Pornofilme angeschaut. Damit hätten sie gegen die Urheberrechte der Schweizer Firma „The Archive AG“ verletzt, die im Besitz der Filme sei. Viele rieben sich verwundert die Augen — so auch Konrad Winder (Name von der Redaktion geändert) aus Willich. Auf Redtube sei er nämlich nie gewesen, erzählt er.

„Ich wurde beim Surfen weitergeleitet“, erklärt Winder. Das habe er aber gar nicht gemerkt — und irgendwann fand er den Brief der deutschen Anwaltskanzlei Urmann + Collegen (U+C) im Postfach. Das Prinzip dieses massenhaften Betrugs sei simpel, aber effektiv, erzählt er. „Es blinkt ein Werbefenster auf und man wird auf eine unbekannte Seite weiterverwiesen.“ Dadurch leite der Server den Nutzer auf die nächste bekannte Internetseite: Redtube. Der Vorgang läuft stets im Hintergrund ab und damit ohne das Wissen der Betroffenen. Unmittelbar nach der Weiterleitung erkennt ein Programm die IP—Adresse und speichert sie. Das Ergebnis dieses Vorgangs brachte Wochen später der Postbote. Die Abmahnung forderte Konrad Winder auf, eine dreistellige Geldstrafe zu zahlen. Das sah er aber nicht ein. Stattdessen wandte er sich an einen Anwalt. „Es sieht jedoch so aus, dass sich die Geschichte im Sand verläuft“, sagt er.

In Berlin sitzt ein Rechtsanwalt, der sich für die betroffenen Internetnutzer einsetzt. Carl Christian Müller spricht bei den Tausenden Abmahnungen von schwerer Erpressung. In einem Interview erklärte er, warum er eine Strafanzeige gegen die Anwälte von U+C gestellt hat. „Damit ist für viele Menschen eine massive Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit im Internet verbunden“, sagte Müller. Ebenso sei seiner Einsicht nach der Vorwurf der Urheberrechtsverletzung nicht haltbar. „Redtube ist keine offensichtlich rechtswidrige Quelle im Sinne des Paragraphen 53 des Urheberrechtsgesetzes.“ Vielmehr handele es sich um ein legales Portal. Die Staatsanwaltschaft Hamburg habe ihm mitgeteilt, dass ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde. Eine Grundsatzentscheidung steht an.

Im Fall Konrad Winders rät dessen Anwalt davon ab, einen Prozess anzustreben. „Erstens sind viele Leute involviert und zweitens ist es nicht sicher, ob ich gewinnen würde“, erklärt Winder.

Aufwand und Ertrag stünden in einem krassen Missverhältnis. Letztlich leide nur sein Geldbeutel, so Konrad Winder.

Auch seine Idee, mit dem Schritt in die Öffentlichkeit, Fortschritte zu erzielen, blieb erfolglos. Nach seinen Fernseh-Auftritten im WDR und ZDF habe sich nichts ergeben, sagt er. Für den Willicher sei das Schlimmste, sich für ein Vergehen verantworten zu müssen, das er „gar nicht begangen hat“. „Mein Geschäft hätte dadurch Schaden nehmen können“, sagt Winder.

Die Angelegenheit habe ihn stark beschäftigt, erzählt der Willicher. Und das tue sie immer noch. Dennoch werde es seinerseits keine weiteren rechtlichen Schritte geben.