Anrath: Närrisches vom Straßenrand

Karnevalszug Wie erleben Zuschauer das Spektakel in Anrath? WZ-Mitarbeiterin Susanne Böhling machte die Sause bei Anwohnern am Lindenplatz mit.

<strong>Anrath. Gaby ist schon seit halb elf unterwegs. Auch wenn die Anwohnerin der Lindenstraße den Zug erst gegen halb drei erwartet. Schließlich musste sie die Wand ihres Häuschens noch schmücken, den Stehtisch aufbauen, das Bier kalt stellen, die Gulaschsuppe kochen. Um halb eins kommen Heidi, Rosi und Manuela aus ihrem Frauenclub. Sie sind als Blumenmädchen verkleidet. Gärtnerhüte, grüne Latzhosen, geschmückt mit kleinen Blümchen, unter denen man sich mit genügend Unterhosen und Leggings gegen die Kälte schützen kann.

Zusammenführung

Das Wetter meint es gut, die Sonne scheint, Rolf stößt dazu. Er stellt sich vor: "Meine Frau macht jeden Morgen dieses Rohr voll", zeigt er auf die Wand. Sie ist Zeitungsbotin, hat hier bereits ihren Schnaps getrunken, ist weiter gezogen. Rolf bleibt, seine Tochter Conni mit Mann Herbert sowie den Kindern Maren, Jakob und Nele kommen vorbei. Manuela bietet den Kindern von ihren selbstgebackenen Muzen an, aber Jakob dreht sich schüchtern zur Seite und versteckt sich hinter Conni. "Gestern war er noch krank, hatte Fieber", erklärt sie und wendet sich dann anderen Dingen zu. Teilt sich mit ihrem Vater ein Bier, prostet ihm zu. "Der Papa ist ja verkleidet!" sagt sie hocherfreut. "Er hat Schuhe an!" Sonst ist er immer in Schlappen unterwegs. Dann geht die Familie weiter, sie will noch Freunde treffen.

Freundliche Begegnungen

Ein Trupp Piraten-Frauen steuert auf den Stehtisch zu. "Helau!" grüßen sie freundlich, was ebenso erwidert wird. "Kennst Du die?", fragt Gaby ihren Jürgen und nimmt einen Schluck aus der Flasche. "Nee." Die Frauen nehmen an der von der Sonne beschienenen nachbarlichen Hauswand Aufstellung. Beim Nachbarn der anderen Seite steht eine andere Truppe um einen weiteren Biertisch. "Ich hab drei Haare auf der Brust, ich bin ein Bär!" beschallen sie den ganzen Platz. Die Kinder von der Lindenstraße verkürzen sich die Wartezeit auf dem Spielplatz. Der Mexikaner rutscht die Rutsche runter, unter der sich die Prinzessin versteckt hat. "Ich habe gehört, der Platz um die Kirche ist voller betrunkener Jugendlicher, die teilweise sogar Flaschen auf den Zug werfen", berichtet Gaby vom Tratsch, der durch die Straße geht. Die Gerüchte stimmen.

D’r Zoch kütt

Um kurz nach drei kommt der Zug und mit ihm Süßes. Der erste Kamellesegen kommt von den Weihnachtsmännern des TV Schiefbahn. Manchmal treffen sie den Kopf, der im besten Fall mit Hut oder Perücke gewappnet ist. Es folgt ein ein Trupp Krankenschwestern in kurzen Röcken, die einem Herzpatienten schon mal einen Kabelbrand im Herzschrittmacher verursachen könnten. Aber sie sind rücksichtsvoll, ersparen dem älteren Herren am Rand das Bücken und liefern das Popcorn direkt in seinen Stoffbeutel.

Musikanten in der Pause

Ein Stau im Zug ermöglicht den lustigen Musikanten aus Dülken eine Verschnaufpause auf der Bank vor dem Nachbarhaus. Der Nachwuchs, den sie dabei haben, zeigt sich unbeeindruckt von dem Trubel. Er schläft, dick eingepackt, im Bollerwagen.

Ritter Philip (9) nutzt die Kamelle-Pause, flitzt auf die Straße, hebt eine pinkrosa Feder auf, die sich aus der Boa einer Frau gelöst hat und verehrt sie - Ritter der er ist, seiner Schwester Pippi Langstrumpf Catelyn (5).

Um vier Uhr ist der Zug vorbei, man zieht sich in die Garage zur heißen Suppe zurück. Bald wollen sie zum "Wirt des Vertrauens" gleich gegenüber aufbrechen. Aber bei dem ist es so voll, dass man lieber noch etwas wartet.