Künstlerin aus Tönisvorst Landschaften mit Nadel und Faden verewigt

Tönisvorst. · Brunhild Mauss stickt so gut, dass sie regelmäßig Arbeiten verkauft. Nun zieht die gebürtige Berlinerin zurück in ihre Heimat.

Da Brunhild Mauss am liebsten Blumenwiesen stickt, verwendet sie für ihre Arbeiten sehr viele Grüntöne.

Foto: Emily Senf

(emy) Das Bild von der ­Flöth ist ihr am besten gelungen, sagt Brunhild Mauss. Die Konturen sind fein, es zeigt eine große Farbvielfalt, und die einzelnen Blüten und Gräser darauf sind genau zu erkennen. Es sieht aus wie ein Gemälde, ist aber gar keins. Denn Brunhild Mauss malt nicht, sie stickt – abends zu ihrer Beschäftigung, und das so gut, dass sie bereits an einer Ausstellung im Deutschen Textilmuseum in Krefeld teilgenommen hat. Im Herbst will die gebürtige Berlinerin, die seit 58 Jahren in Tönisvorst lebt, zurück in ihre einstige Heimat ziehen.

Gelernt hat sie die Stickerei nie, sie arbeitet aus dem Bauch heraus

Das Stickbild vom Flöthbach hat ein Käufer aus Luxemburg erworben.

Foto: Brunhild Mauss

Mitte der 80er hat Brunhild Mauss mit dem Sticken angefangen, da waren die drei Kinder aus dem Haus, und während ihr Mann fernsah, saß sie daneben und fertigte Bild um Bild. Wirklich gelernt hat sie das nie. „Ich sticke aus dem Bauch heraus“, erläutert die 80-Jährige. Ihr Repertoire beschränkt sich auf Spannstich, Knötchenstich und Webstich. Gefällt ihr eine Stelle nicht, zieht sie die Fäden nicht wieder heraus, sondern stickt drüber. „Das macht es lebendig“, beschreibt sie und gibt einen Tipp: „Am besten ist es, man stickt unbefangen, wie beim Malen.“ Für den Untergrund hat sie anfangs alte Oberhemden zerschnitten, danach benutzte sie Musterlappen aus einem Stoffgroßhandel, stickte auf Leinen, Seide, Baumwolle und Mischgewebe.

Am liebsten fängt sie Details ein, die ihr beim Betrachten eines Fotos ins Auge fallen. Beim Blick auf ihre erste Stickerei schmunzelt sie. „Das finde ich heute sehr grob“, sagt Brunhild Mauss und greift nach ihrer Garnschachtel. „Damals habe ich doppelfädig gearbeitet“, berichtet sie und zieht die Fäden eines grünen Strangs auseinander. Heute nimmt sie den einfädigen Twist, dadurch wirken die Bilder präziser. Sie selbst nennt es „Fadenmalerei“. „Der Ausdruck gibt es gut wieder“, sagt sie.

Als Vorlage für ihre Stickbilder verwendet Brunhild Mauss ausgedruckte Fotos, die sie zuvor selbst aufgenommen hat und dann mit Nadeln an ihren Stickrahmen heftet. Ihre Stickerei beginnt sie am unteren Rand des Rahmens und arbeitet sich nach oben. Ein paar Mal hat sie sich an menschlichen Gesichtern versucht, aber die liegen ihr nicht, darum hat sie sich auf die Natur verlegt, am liebsten die rund um ihr Haus. So stickte sie beispielsweise schon das Feld mit Senf vor ihrem Haus, die Sumpfdotterblumen im Garten, eine Wiese voll Buntklee, eine andere mit Zittergras sowie eine Waldlichtung – mal aus der Ferne, mal von Nahem, ganz im Detail, mehr als 100 Bilder insgesamt. Für jedes braucht sie etwa 120 Stunden, nach rund drei Monaten ist eines fertig. Ein Drittel ihrer Arbeiten hat sie verschenkt und ein weiteres Drittel verkauft. Je nach Aufwand kosten die Werke 500 bis 1000 Euro.

Jüngste Stickerei war schon
nach zwei Tagen verkauft

Das Bild von der Flöth, das sie erst vor wenigen Monaten fertigstellte, hat ein Käufer aus Luxemburg erworben. Ihre bislang jüngste Stickerei von der Insel Hombroich war bereits zwei Tage nach der Fertigstellung verkauft. „Das mag ich nicht so gerne“, sagt Brunhild Mauss etwas verschmitzt. „Ich gucke mir die Bilder lieber hinterher noch ein bisschen an.“ Manchmal, wenn ihr ein Motiv besonders gut gefällt, stickt sie nach dem Verkauf eine weitere Version, die sie dann für sich behält. Das Vorster Medikamentenhilfswerk „action medeor“ verwendet seit Jahren die Motive einiger ihrer Stickerei-Arbeiten für
Grußkarten.

„Was sie macht, ist unvergleichlich“, sagt Annette Schieck, und sie muss es wissen. Als Leiterin des Textilmuseums in Krefeld hat sie Brunhild Mauss 2017 im Rahmen der Ausstellung „Stick-Bilder“ kennengelernt. Damals präsentierte die Tönisvorsterin neben vier weiteren Künstlerinnen 24 ihrer Stickbilder. „Sie schert sich nicht um Vorgaben, sondern stickt einfach drauflos“, beschreibt Annette Schieck Mauss’ Technik. „Das ist ihr ganz eigener Stil, ich finde es fantastisch, was sie macht.“ Für die Ausstellung 2017 hatte das Museum die Werke extra ohne Glas gerahmt, damit die Besucher einen besseren Eindruck von der besonderen Struktur bekommen
konnten.

Brunhild Mauss ist gelernte Dolmetscherin und folgte ihrem Mann, der aus St. Tönis stammte, nach dem Studium in die Apfelstadt. Nach seinem Tod möchte sie nun wieder zurück nach Berlin, wo ein Sohn und seine Familie leben. Weiterhin stickt sie jeden Abend an einem Bild. Wird es denn nicht langweilig? „Nie“, sagt Brunhild Mauss. „Jedes Bild ist eine neue Herausforderung.“