Christel Tomschak (86): Erlebnisse machen sie bis heute wütend
Christel Tomschak (86) gibt ihre Erinnerungen an die Nazi-Zeit weiter.
Vorst. Ihr Vater war 1933 der erste Bürger in Tönisvorst, der von den Nazis verhaftet wurde. Ein Jahr lang war er im geräumten Frauenzuchthaus untergebracht. Ein Ereignis, das der Vorsterin Christel Tomschak bis heute detailliert im Gedächtnis geblieben ist. „Mein Vater war Funktionär in einer kommunistischen Partei. Dass er abgeholt wurde, ist mein erstes schlimmes Kindheitserlebnis“, sagt Tomschak. Einen Prozess bekam ihr Vater nicht. „Nichts, einfach weggesperrt haben sie ihn.“ Die jetzt 86-Jährige war damals erst fünf Jahre alt. 1933 wurde sie gerade eingeschult.
Heute engagiert sie sich im Initiativkreis „Stolpersteine für Vorst“, der sich für das Gedenken an die Naziopfer einsetzt. Dabei gefällt Tomschak der Kontakt zu Schülern des Ende-Gymnasiums besonders: „Die jungen Leute müssen erfahren, dass Faschismus keine Meinung ist, sondern ein Verbrechen.“
Tomschaks Mutter hat sich von der Verhaftung ihres Mannes nie wieder erholt. Nach 1945 legte die Familie für die staatliche Wiedergutmachung sämtliche Belege bei der Beantragung vor. Daher weiß Tomschak heute so genau, dass ihre Mutter bis zu ihrem Tod insgesamt 32 Mal im Krankenhaus war. Die Mutter verstarb 1949 schon früh.
5,3 Mark bekamen Mutter und Tochter während der Haft des Vaters vom Amt zum Leben. Als das Winterhilfswerk des Deutschen Volkes — eine staatliche Stiftung, die NSDAP-nahe Familien unterstützte — in den Haushalten Geldspenden einsammelte, wurde Tomschaks Mutter aufgefordert, ihr Portemonnaie zu holen. „Sieben Pfennige waren noch drin, und selbst die hat man ihr weggenommen.“
Es sind Erlebnisse wie diese, die Tomschak bis heute wütend machen und aus denen sie eine Verpflichtung zieht. „Wir müssen über die Nazizeit reden. Wir müssen die Erinnerungen doch weitergeben, an die Leute, die den Faschismus nicht erlebt haben“, sagt sie. Und erzählt ganz ruhig ihre Erlebnisse, schildert beinahe sachlich die Erinnerung. Ihre Stimme zittert nur, wenn sie über die heutigen Nazis spricht.
„Ich hatte 1945 gedacht, dass der große Umschwung kommt. Wie kann es sein, dass heute schon wieder Neonazis herumlaufen?“ Tomschak ist überzeugt: „Wir konnten 1933 den Nationalsozialismus nicht verhindern, weil wir nicht alle gemeinsam dagegen angegangen sind.“ Für diese Zivilcourage setzt sie sich heute ein und wünscht sich: „Der Initiativkreis hat Parteien, Vereine und Organisationen zusammengeführt. Nachdem die Stolpersteine verlegt sind, möchte ich, dass die Gemeinschaft weiterbesteht.“