Düstere Bilder von Gier, Genie und Wahnsinn
Als David Hein ist der Autor David Schönherr in St. Tönis aufgewachsen. Dort stellte er nun seinen Debüt-Roman vor.
St. Tönis. Verheiratet ist er längst: David Schönherr kam jetzt in das Trauzimmer des St. Töniser Rathauses, um seinen Debüt-Roman „Der Widerschein“ vorzustellen. Der 33-Jährige, der als David Hein in St. Tönis aufgewachsen ist und vor zwölf Jahren am Michael-Ende-Gymnasium sein Abitur gemacht hat, kam sich unter lauter bekannten Gesichtern vor wie bei einem Klassentreffen. Bevor er loslegen konnte, mussten weitere Stühle herbeigeschafft werden.
Schönherr, der in Leipzig als Theaterpädagoge arbeitet, versetzte das Publikum in die Niederlande im 18. Jahrhundert, als das Land seine besten Zeiten hinter sich hatte. „Der Widerschein“ ist aber mehr als ein historischer Roman: Es geht auch um Gier, um Genie und Wahnsinn, wobei das Absurde mehr und mehr Raum greifen soll.
„Ich habe an dem Buch — wenn auch nicht ununterbrochen — von 2005 bis 2011 geschrieben“, erklärte der Autor. Er gestand, ganz schön aufgeregt zu sein. Dabei war es nicht seine erste Lesung, und auf der Frankfurter Buchmesse hatte er sein Werk persönlich einem interessierten Publikum vorgestellt.
„Die Kunst schwebt als Thema über allem“, sagte Schönherr und verriet eine Besonderheit: Die Hauptfigur Ferdinand Meerten soll sich in „Der Widerschein“ rar machen. Die Zuhörer lernten ihn als Vierjährigen kennen: als Genie, das mit gekonnten Kohlezeichnungen verblüfft, als ein Kind mit einer ungewöhnlichen Aura und Autorität.
David Schönherr gab auch eine Kostprobe aus dem sechsten und letzten Kapitel: Meerten ist mittlerweile in einem Irrenhaus, der desolate Zustand dort ist bedrückend. Im Übrigen ist es jedoch nicht die Hauptfigur, die den Roman so farbig macht, sondern Charaktere wie der Künstler Bros, der die Arbeiten des jungen Genies als seine eigenen ausgibt oder Giannotti, eine mit einem Fluch belegte Hexe. Es scheint so, als ob Schönherr den Zustand der Niederlande im 18. Jahrhundert an einer Handvoll Personen festmacht. Er zeichnet so ein Sittengemälde, das wirr und düster ist.
Dass Fragen offen bleiben, ist gewollt. Der Autor verriet: „Es gibt allenfalls ein halbes Happy-end.“ Er habe sich viel mit Kunst befasst, bevor er mit dem Roman begann. Aber es gehe nicht nur um Bilder von Künstlerhand: „Wir alle leben in Bildern, die wir uns von der Welt gemalt haben - diese Bilder haben einen starken Einfluss auf die Wahrnehmungen und Entscheidungen in unserem Leben.“ Das Publikum erfuhr auch, dass das zweite Buch bereits geschrieben ist.