Ein Tönisvorster Fan der Natürlichkeit

Ein Foto von Simon Erath ist Bestandteil der „Großen Düsseldorfer Kunstausstellung“. Bereits zum vierten Mal wurde er aufgenommen.

St. Tönis. Sein Alltagsgeschäft sind Porträts oder Fototermine für KR-ONE, Moveo oder das IHK-Magazin. Doch mit einer seiner freien, künstlerischen Arbeiten ist er erneut in die Große Düsseldorfer Kunstausstellung im Kunstpalast am Ehrenhof aufgenommen worden — nach 2014, 2015 und 2017 bereits zum vierten Mal. Morgen gibt er die Arbeit ab. Und dann wird Simon Erath am 27. Januar zur Eröffnung nach Düsseldorf fahren und erst einmal in dieser großen Ausstellung mit den vielen Arbeiten „sein Bild“ suchen.

Foto: Simon Erath

Zu sehen waren in Düsseldorf bisher Motive aus dem Kühlhaus oder vom Schrottplatz. Der Ort ist eher banal, doch mit sicherem Auge findet Simon Erath das Besondere: In der Welt, die uns alle umgibt, interessieren ihn Strukturen. Das kann das Gerippe eines Heizkörpers sein, eine Sitzbank neben einem Müllcontainer oder die tiefe Grube im Braunkohletagebau Garzweiler. Im Krefelder Mies-van-der-Rohe-Architekturmodell (das begehbare Golfclub-Projekt auf dem Krefelder Egelsberg) wurde der Fotograf ebenso fündig wie in den gestapelten Pressballen aus Kunststoffmüll auf einem Kempener Betriebshof.

Geboren wurde Erath 1988 im Tönisvorster Krankenhaus. Seine Mutter ist Tönisvorsterin, seine Großeltern leben noch heute in St. Tönis. Doch seine ersten 22 Jahre verbrachte Erath in Krefeld-Bockum in der Nähe des Zoos — wohin es ihn auch heute noch immer wieder verschlägt. Aber auch an St. Tönis hat er viele schöne Kindheitserinnerungen, etwa von der Eisenbahn, die bei Spielwaren Lessenich an der Hochstraße auf Knopfdruck durch die Schaufenster-Auslagen fuhr.

2010 ging Erath nach Berlin, um drei Jahre lang an der Best-Sabel Designschule die Fotografie als Handwerk zu erlernen. 2012 machte er ein Praktikum bei Hans-Christian Schink. Er wäre auch in Berlin geblieben, wo sein Bruder heute lebt, bewarb sich aber an der Kunstakademie in Düsseldorf — und wurde angenommen. Er lernte die Großen der Becher-Klasse kennen, schnupperte überall mal rein, aber irgendwie nahm ihn kein Professor ausdrücklich in seine Klasse auf. Nach drei Jahren verließ er die Akademie. Für sie war er aus Berlin zurückgekommen — und in Krefeld geblieben. Heute wohnt er im Zentrum, ganz in der Nähe vom Theater.

Simon Erath balanciert auf dem schmalen Grat zwischen Alltag und Kunst. Für seine freien Arbeiten bevorzugt er mit der Hasselblad-Kamera das quadratische Mittelformat. Zur Fotografie ist er relativ spät, mit etwa 17 Jahren gekommen. Damals begleitete er seinen Vater nach München, der dort einen Schulfreund besuchte. Dieser war Fotograf geworden und hatte ein Studio unter dem Dach in der Nähe des Englischen Gartens. In den hohen Räumen hingen große Porträtfotos von Klitschko und Beckenbauer. Das fand Simon Erath „schon interessant“.

Er kaufte sich als erstes eine Olympus-Spiegelreflex-Kamera, ist aber schon längst auf Nikon umgestiegen. Mit Fotos für die Abi-Zeitung fing das professionelle Fotografieren an. Für seine Ausbildung in Berlin bewarb er sich mit Fotos aus einem Krefelder Altenheim, wo er seinen Zivildienst verbrachte. Die alten Gesichter mit ihren Falten und Flecken fand Erath hochspannend. Für seine Mappe stellte er eine Serie zusammen, jeweils mit Gesicht und der rechten Hand.

Den unbedarften Betrachter faszinieren diese Porträts, die den alten Menschen in ihrer Würde und Reife eines erfüllten Lebens zeigen, auch heute noch. Erath selbst ist mittlerweile technisch weiter und kritisiert an seinen damaligen Fotos die Belichtung und die Farben.

Der Fotograf, der in diesem Jahr 30 wird, scheint im Job ein Perfektionist zu sein — und ein Fan der Natürlichkeit. So benutzt er kein Studio. Er mag das natürliche Licht draußen, kein Kunstlicht oder Blitz. Er ist auch kein Anhänger des Programms Photoshop, mit dem man rumbasteln kann, um die fotografierten Leute „20 Kilo leichter oder 20 Jahre jünger erscheinen zu lassen“. Natürlich könne man auch beim Analogfilm in der Dunkelkammer „Effekte erzielen“, doch das versteht Erath nicht unter seinem Handwerk.

Am Niederrhein schätzt er den grauen Himmel. Dieser sorge beim Fotografieren für ein weiches Licht. Erath mag es nicht, sich nach der Sonne richten zu müssen. In seinen Arbeiten sind ihm Linien wichtig, grafische Muster. Seine Fotos sind eine Mischung aus Porträt und Landschaft. hb