Elektrisch nach Schiefbahn
Vor einem Jahrhundert wurde die Straßenbahn in Betrieb genommen, die den Ort mit Krefeld verband. Sie machte vieles leichter.
Schiefbahn. Vor 100 Jahren begann ein Stück Schiefbahner Verkehrsgeschichte: Im Jahr 1910 baute die Stadt Krefeld ihre erste Straßenbahnstrecke, die über das Stadtgebiet hinaus über Willich bis nach Schiefbahn reichte.
In der früheren Gaststätte Schwan an der Hochstraße geriet Krefelds damaliger Oberbürgermeister Adalbert Oehler nach der Jungfernfahrt ins Schwärmen: "Sie werden mit mir Ihre Freude gehabt haben an dem überaus netten und schönen Bild, das uns Schiefbahn geboten hat", sagte er.
"Das gibt Raum zur Hoffnung, dass auch viele Krefelder sich veranlasst fühlen mögen, sich an den intimen Reizen der niederrheinischen Heimat, an denen gerade Schiefbahn sehr reich ist, zu erfreuen."
Die Straßenbahnverbindung von Krefeld nach Schiefbahn wurde denn auch sehr gut angenommen. Ein Meilenstein im öffentlichen Personennahverkehr war etwa der Gemeinschaftsverkehr von Krefelder und Mönchengladbacher Straßenbahn: Ab März 1923 konnten Fahrgäste von Krefeld über Willich und Schiefbahn bis nach Mönchengladbach durchfahren.
Gute 35 Jahre später - nach dem Zweiten Weltkrieg - waren es dann freilich nicht mehr nur die von Oehler beschworenen "intimen Reize", die die Stadtmenschen nach Willich und Schiefbahn trieben, sondern der Hunger: Säckeweise wurden Kartoffeln von den Feldern geschleppt, sodass sie schließlich bewacht werden mussten. In den schwierigen Nachkriegsjahren kam der Straßenbahn also eine ganz eigene praktische Bedeutung zu.
Nach dem Krieg diente die Straßenbahn aber nicht nur der Personenbeförderung - mit ihr wurde auch Trümmerschutt wegtransportiert. Der Schiefbahner Historiker Ludwig Hügen weiß, dass vor allem für Kinder eine Straßenbahnfahrt purer Luxus war. Sie spielten aber gerne an den Gleisen, liefen neben der Bahn her, legten Pfennigmünzen auf die Schienen, die dann plattgewalzt wurden.
Eine besondere Attraktion: Der große, unförmige grüne Arbeitswagen, mit dem Schienen und Weichen gereinigt wurden. Während die Linie 8 bis zur Verseidag fuhr, früher Deuß & Oetker, gelangten Fahrgäste der Linie14 bis nach Knickelsdorf - und auf Wunsch weiter bis zur Rennbahn und dem Mönchengladbacher Hauptbahnhof.
In den 1950er Jahren drohte der Omnibus die Straßenbahn dann komplett zu verdrängen. Die Stadt Krefeld beauftragte einen Verkehrsexperten der Technischen Universität Hannover, Professor Schlums, mit einem entsprechenden Gutachten.
Der Professor schlug vor, die Straßenbahnen durch Omnibusse zu ersetzen. Das führte zu Widerstand in Bevölkerung und Politik - und zu einem Teilerfolg für die Befürworter der Straßenbahn.
In Krefeld gehört die Straßenbahn auch im 21. Jahrhundert noch zum Stadtbild, aber nach Schiefbahn fuhr sie am 27. April 1961 zum letzten Mal. Ab diesem Tag wurden ausschließlich Busse eingesetzt.