Lese-Tipp der Stadtbücherei Tönisvorst Romane von Tony Hillermann mit großer Freude entdeckt

Tönisvorst · Tönisvorsts Stadtbücherei-Leiterin Carmen Alonso empfiehlt die Neuauflage des Romans „Tanzplatz des Toten“. Der Autor beschreibt den Konflikt zwischen der modernen US-Gesellschaft und den Werten der indigenen Kulturen.

Carmen Alonso leitet die Stadtbibliothek Tönisvorst.

Foto: Marc Schütz

(Red) Carmen Alonso, Leiterin der Tönisvorster Stadtbücherei, gibt den Lesern Literaturtipps. Diesmal: „Tanzplatz der Toten“ von Tony Hillermann:

In Deutschland erscheinen pro Jahr rund 70 000 Buch-Neuerscheinungen. Manche dieser Werke verschwinden irgendwann aus den Regalen der Buchhandlungen und geraten – mal mehr, mal weniger verdient – in Vergessenheit. Manchmal aber besinnt sich ein Verlag nach Jahren auf schlummernde literarische Schätze und veröffentlicht eine Buch-Reihe in einer Neuübersetzung und mit einem neugestalteten Cover.

So entdeckte ich vor Kurzem zu meiner großen Freude die Romane des amerikanischen Autors Tony Hillerman wieder (1925–2008), die zwar bereits in den 1970er/80er-Jahren erschienen, die aber einfach zeitlos gut sind. Schauplatz ist die Navajo Nation Reservation, gelegen in der Sandsteinwüste im Grenzgebiet der US-Bundesstaaten Utah, Arizona und New Mexico. Hauptfigur Lieutenant Joe Leaphorn von der Navajo Tribal Police ermittelt dort im zerklüfteten Canyon Country; er ist ein ernsthafter Typ und versteht sich ausgezeichnet darauf, einfach nur geduldig zuzuhören und jeden neu gewonnenen Informations-Schnipsel, jede Beobachtung einzuordnen.

Aus den Angelegenheiten des benachbarten Zuñi-Stammes hält er sich eigentlich raus; als aber zusammen mit einem jungen Zuñi plötzlich auch dessen bester Freund George, ein Navajo, verschwindet und man nur dessen Fahrrad plus riesiger Blutlache entdeckt, zieht man den erfahrenen Detective hinzu. Die beiden überaus neugierigen Jungs waren offenbar fasziniert von den Ritualen des Zuñi-Volkes und deren rachsüchtigen Göttern. Diese aber, so heißt es, zeigen sich nur jenen, denen der Tod seine Aufwartung macht …

Schon in dem Anfang des Jahres neu erschienenen Band „Tanzplatz der Toten“ wird die Einzigartigkeit dieser Buch-Reihe deutlich: Tony Hillerman beschreibt den Konflikt zwischen der modernen Industrie- und Konsumgesellschaft und den traditionellen Werten und Bräuchen der amerikanischen indigenen Kulturen. Seine detaillierten Schilderungen von Jahreszeiten, Wetter und den Landschaften des Reservats sind nicht bloß exotische Kulisse, sie sind selbst Teil der Geschichte. Das faszinierende an dem Roman ist nicht nur die spannende Handlung, sondern vor allem auch die Sensibilität, mit der es Hillerman gelingt, die Kultur der Navajo mit großer Präzision und Respekt einzufangen.

Ihre Legenden, Gebräuche und Tabus spielen eine große Rolle: Denn nur mit dem Wissen darum können die meisten Fälle überhaupt erst aufgeklärt werden. Alles hängt mit allem zusammen, das begreift man schnell, wenn man den häufig verzwickten Geschichten folgt. Hinzu kommt noch die bildgewaltige Sprache, mit der Hillerman die karge und doch so magische Landschaft im Four-Corners-Gebiet der USA beschreibt.

Tony Hillerman wurde in viele Sprachen übersetzt und posthum geehrt, indem etwa Schulen nach ihm benannt wurden. Er wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet, beispielsweise mit dem Edgar Allan Poe Award. Am meisten aber bedeutete ihm die Auszeichnung Special Friend of the Diné, die er 1987 von dem Navajo Tribal Council erhielt.

(msc)