Migrationsarbeit in Tönisvorst und Viersen Hilfe beim Sprung aufs Gymnasium
Tönisvorst/Viersen · Manche Viertklässler sind begabt, sprechen aber nicht die deutsche Sprache. Damit ihnen dennoch der Besuch eines Gymnasiums gelingt, helfen ihnen Mentoren von „MentForMigra“. Nun werden weitere Helfer gesucht.
„Ich gebe keine Noten, ich schimpfe nicht, ich bin eine Anlaufstelle, an die sich die Kinder wenden können, wenn sie in der Schule etwas nicht verstanden haben“, sagt Edith Schroeder. Die Rentnerin aus Viersen ist eine von 50 Mentorinnen und Mentoren im Kreis Viersen, die Kinder ohne oder mit geringen Deutschkenntnissen dabei unterstützen, den Sprung von der vierten Klasse aufs Gymnasium zu schaffen – konkret sind dies das Michael-Ende-Gymnasium (MEG) in Tönisvorst sowie das Erasmus-von-Rotterdam-Gymnasium in Viersen und das Clara-Schumann-Gymnasium in Dülken.
Seit 2020 engagieren sich im Programm „MentForMigra“ (Kurz für Mentoren für Migranten) Ehrenamtler – meist sind es Schülereltern – als ehrenamtliche Mentoren, um Zuwandererschüler zu unterstützen. Seinen Ursprung hatte das vom NRW-Schulministerium unterstützte Programm in Düsseldorf, inzwischen läuft es auch im Kreis Viersen und im Rhein-Kreis Neuss. „Der Bildungsnachteil, den die Zuwandererschülerinnen und -schüler zunächst durch nicht so gute Deutschkenntnisse ihrer Eltern haben, soll durch Mentorinnen und Mentoren gemindert werden“, sagt Mechtild Aschoff, Lehrerin am MEG und „MentForMigra“-Koordinatorin für den Kreis Viersen. Zwei Mädchen aus der Ukraine und ein Junge aus dem Iran besuchen Edith Schroeder derzeit in der Regel einmal in der Woche für anderthalb Stunden. Die 76-jährige Keramikingenieurin hat mit ihrer Familie 20 Jahre lang in Brasilien gelebt und weiß, wie es für Kinder ist, in ein fremdes Land zu kommen: Als sie 1990 zurück nach Deutschland kam, war einer ihrer Söhne zehn Jahre alt und hatte keine Deutschkenntnisse. „Ich war berufstätig und hatte wenig Zeit für meine Kinder“, sagt Edith Schroeder, die neben Deutsch auch Englisch, Portugiesisch und Italienisch spricht. Da sie nun vier gut geratene Kinder und neun Enkel habe, wolle sie etwas zurück geben. „Eine Gesellschaft funktioniert nur, wenn jeder seinen Teil dazu gibt“, ist sie überzeugt. Und so entschied sie sich, als sie mit 61 in Rente ging, Kinder zu unterstützen, „statt im Fernsehen Rentner-Krimis zu schauen“.
Im Jahr 2015 wurde „MentForMigra“ gegründet
„Ich bin ein recht trockener Mensch, rede mit den Kindern auf Augenhöhe, vielleicht ist das mein Erfolgsrezept“, sagt sie und blickt auf mehr als zehn Kinder zurück, die sie unterstützt hat. „Wenn die Kinder Erfolg haben, ist das auch für mich eine Belohnung.“ Um Deutsch zu lernen empfiehlt sie ihren Schützlingen, in der Sprache zu „baden“, auch wenn sie nicht alles verstehen. So habe sie selbst Fremdsprachen gelernt. Zu „MentForMigra“ kam Edith Schroeder vor zwei Jahren, als sie einen ihrer Schützlinge und seine Familie zu einem Elternabend begleitete und dabei Mechtild Aschoff traf.
Im Jahr 2010 fiel einer Grundschullehrerin in Düsseldorf ein besonders begabter Viertklässler auf, dessen Eltern aus Togo stammten und sich nicht zutrauten, ihren Sohn an einem Gymnasium anzumelden. Die Lehrerin half, und 2015 wurde „MentForMigra“ gegründet, um weitere ehrenamtliche Mentoren zu gewinnen. Inzwischen sind es mehr als hundert – doch weitere werden dringend gesucht. „Es ist auch möglich, dass sich zwei Mentoren um ein Kind kümmern“, sagt Mechtild Aschoff. Man sei sehr flexibel, um es den Mentoren so einfach wie möglich zu machen, Kinder zu unterstützen.
An welchen Tagen die Unterstützung stattfindet, legen die Mentoren selbst fest. Sie nehmen sich durchschnittlich eine Stunde pro Woche Zeit. „Schwerpunktmäßig geht es darum, den Kindern dabei zu helfen, die deutsche Sprache zu lernen“, sagt Aschoff. Aber auch die Anmeldung zur Stadtbücherei, die Begleitung zum Tag der offenen Tür an den jeweiligen Gymnasien und zu schulischen Informationsveranstaltungen bis zur Vermittlung unserer Kultur und Werte können zu den Aufgaben gehören. Im Gegenzug erhalten die Mentoren Schulungen, es gibt Austauschtreffen und Fallbetreuungen – „einfach eine professionelle Anbindung“, so Mechtild Aschoff.