Molière-Komödie: Eingebildete Krankheit erzeugt Gier statt Mitleid
Temporeich mit kantigem Vokabular — so kündigt die Intendantin die Molière-Komödie an.
Neersen. Als junger Mann hat er schon mal in „Der eingebildete Kranke“ mitgespielt. Seinerzeit wurde die Komödie von Molière in Hamburg gespielt und R. A. Güther spielte den Thomas. „Damals dauerte die Vorstellung drei Stunden und bestand in weiten Teilen aus endlos langen Monologen“, erinnert sich der Darsteller, der bei der Premiere am nächsten Samstag bei den Schlossfestspielen Neersen die Hauptrolle des Argan übernimmt.
Die Intendantin der Festspiele und Regisseurin des Stückes, Astrid Jacob, greift auf die Übersetzung von Philipp Engelmann zurück, die Aufführung dauert knapp 90 Minuten plus Pause. „Diese Fassung schneidet alte Zöpfe ab“, sagt sie. „Sie ist temporeich und er nutzt ein wunderbar kantiges Vokabular mit herrlichen Kraftausdrücken.“
Jacob beleuchtet auch, warum sich Argan einbildet, krank zu sein. „Ein alter Mann hofft auf Zuwendung“, sagt sie. „Beispielsweise auf die seiner viel zu jungen zweiten Frau.“ Claudia Dölker spielt die Beline, die Jacob als „Label Lady“ sieht, mit dem Geld ihres Mannes stets ausgestattet nach der neuesten Mode. Von seinen Töchtern Angelique und Lousion erwartet er mit Rücksicht auf seine Krankheit Gehorsam. Das geht so weit, dass er Angelique zwingen will, den angehenden Arzt und Arztsohn Thomas zu heiraten, damit ihm im Notfall immer ein Arzt an seiner Seite steht.
„Dabei ist sie längst heimlich mit Cleante verlobt“, sagt Astrid Jacob mit Blick auf die Geschichte. Die Schwestern, aber auch ihre Freunde sowie das Dienstmädchen Toinette müssen sich allerhand einfallen lassen, um Argon aus den Klauen der Habgierigen zu befreien. Schließlich wartet seine Frau nur auf seinen Tod, weil sie ihn beerben möchte; Ärzte und Apotheker bereichern sich mit unnötigen Therapien.
„Diese Figuren sind richtig lächerlich angelegt“, verspricht Jacob. Sven Post, der bereits als bärbeißiger Käpt’n Hook in „Peter Pan“ die Kinder amüsierte, spielt den Arzt, Holger Stolz (Hauptrolle Peter Pan) seinen Sohn Thomas. Jennifer Kornprobst, die in der Mittsommernachts-Sex-Komödie die tabulose Krankenschwester Dulcy mimte, ist das pragmatische Dienstmädchen Toinette.
Silke von Patay legt die Köstüme nicht streng in die historische Zeiten. In dieser Version hat das Ganze etwas von dem, was die Psychologie Familienaufstellung nennt.
Samstag haben die Festspiele „Bergfest“, das heißt: die Hälfte ist vorbei. Sonntag wird der 10 000. Besucher erwartet, 16 000 Tickets sind schon verkauft.