Mord mit Fleischermesser: Die Tat bleibt in den Köpfen der Kinder
Der Angeklagte ist laut dem Gutachter voll verantwortlich. Die Kinder vermissen ihre Eltern.
St. Tönis. Eine Tat mit schlimmen Folgen: Die Kinder, die das Blutbad vor ihrer Schule miterleben mussten, sind schwer traumatisiert. Wegen Mordes steht derzeit ein 51-Jähriger aus Tönisvorst vor Gericht. Er wird beschuldigt, seine Ehefrau durch 39 Stich- und Schnittwunden getötet zu haben (die WZ berichtete). Am zweiten Verhandlungstag schloss der Sachverständige Montag eine Tat im Affekt aus.
Der Gutachter ließ den Lebenslauf des Familienvaters Revue passieren und bezeichnete das Jahr 2009 als Wende und Einschnitt auf dem Weg zur Familientragödie. Sieben Operationen mit darauffolgender Arbeitsunfähigkeit sowie späterer Arbeitslosigkeit hatten den Mann aus der Bahn geworfen und die Ehe belastet. Als sich die Ehefrau zur Trennung entschloss und ihren Mann wegen Gewalttätigkeit anzeigte, nahm das Drama seinen Lauf.
Auslöser war ein Schreiben des Kempener Amtsgerichts, das ihm eine Strafe von 1000 Euro auferlegte und ihm den Kontakt zur Familie untersagte. Der Mann rastete daraufhin völlig aus. Zunächst bereitete er seinen Selbstmord durch Erhängen mit Hilfe eines Elektrokabels auf dem Balkon vor, dann machte er sich mit einem Küchenmesser auf den Weg zur Schule, wo die Frau die Kinder abholen wollte. Dort stach er unvermittelt auf seine Frau ein und verletzte sie tödlich. Der anschließende Suizidversuch misslang, das Kabel riss.
Der Sachverständige sprach von einem rigorosen, radikalen und kompromisslosen Vorgehen, als der Beschuldigte merkte, dass seine Ehe nicht mehr zu retten war. Der normalerweise nicht zur Gewalt neigende Mann sei zügig und gezielt vorgegangen und habe sich auch von anderen Personen nicht von der Tat abhalten lassen. Nicht einmal durch seine Kinder, die den Vater angefleht hatten, von seinem Tun abzulassen. Da weder eine psychische Erkrankung noch ein Suchtmittelmissbrauch vorliege, sei er für seine Straftaten voll verantwortlich.
Die zwei Kinder finden unterdessen nur schwer zum Alltag zurück. Zu gravierende Folgen habe die Tat, berichtete die Betreuerin vom Jugendamt des Kreises Viersen. Das Mädchen und der Junge seien schwer traumatisiert. „Die Tat hat den Kindern alles genommen — die Familie, die Klassen- und Spielkameraden“, sagte sie. Sie vermissen ihre Mutter und den — vorerst untersagten — Kontakt zum Vater. Das könnte die Therapie gefährden. Dem Vater dürfen sie aber Briefe schreiben und Bilder malen.
Die Kinder leben inzwischen in einer Pflegefamilie und fühlen sich dort offenbar wohl. Dennoch sei das Erlebte eine schwere Hypothek. Alpträume seien an der Tagesordnung. Der Junge sei sogar in seiner neuen Schule zunächst von seinen Mitschülern ausgegrenzt worden, weil diese ihm die Schilderung des Tatherganges nicht glauben wollten. Außerdem müssten die Geschwister die Klasse wegen Lern- und Konzentrationsproblemen wiederholen, die es allerdings auch schon vor der Tat gab.
Ganz langsam begännen die Kinder, das Geschehene zu begreifen. Als Beleg dafür nennt die Betreuerin den Kindeskommentar: „Das hätte der Papa nicht tun dürfen.“ Bis zum Verarbeiten des Traumas müsse man mit mindestens zwei bis drei Jahren rechnen. Eine Trauma-Psychologin hilft dabei. Die Erinnerung daran bleibe wohl ein Leben lang haften, so die Betreuerin zur WZ.