Neersen: 300 Jahre alte Balken tragen das Dach

Lydia und Torsten Reschke haben in den 70er Jahren ihre besonderen vier Wände renoviert.

Neersen. Mächtige alte Eichenbalken ziehen sich knapp über Kopfhöhe durch den Raum. Hinter den Glasscheiben, die sich vor den durchsichtigen Glasdachpfannen im Dach befinden, fällt der Blick rechts und links auf Strohpuppen, die vorwitzig unter den anderen Pfannen hervorlugen.

"Die Balken sind wirklich fast 300 Jahre alt. Die Strohpuppen nicht mehr. Die sind ein Werk der 70er Jahre", verrät Torsten Reschke. Über den Denkmalschutz habe man damals die Adresse eines älteren Herrn in der Nähe von Jülich erfahren, der die Puppen noch herstellte, erzählt der Neersener. Und die waren ihm und seiner Frau Lydia mehr als wichtig.

Wohnen im denkmal

Als die beiden das Dach des ehemaligen Vogthauses an der Hauptstraße 37 erneuerten, sollte nämlich alles, soweit es geht, im Ursprungszustand erhalten bleiben. In der Praxis hieß dies, Hohlpfannen aus Ton mit Strohpuppen darunter. "Wenn man auf so etwas keinen Wert legt, sollte man sich kein denkmalgeschütztes Haus zulegen", meint Lydia Reschke.

Dem Ehepaar, das 1972 in das Denkmal einzog, war es wichtig. Das spiegelt sich im gesamten Haus wider. Die Angeln der Fenster sind handgeschmiedete Nachbauten aus dem 18. Jahrhundert, die Sprossenfenster ließ man nach Maß bauen.

Selbst die Betonstufen vor dem Eingang - einst von der Stadt als vorheriger Eigentümerin angelegt - mussten weichen. Liedberger Sandstein ist hier wieder zu sehen. "Ich bin in der Gegend rumgesaust und habe diesen Sandstein gesucht", erzählt Torsten Reschke.

Es gab aber auch Zufallstreffer. "Als wir am Rhein bei Oberkassel spazieren gingen, fanden wir einen angeschwemmten Balken, an dem uralte Beschläge waren. Die haben wir mitgenommen", verrät die Neersenerin. Die Beschläge halten nun die Holztür im Spitzboden. Die erhaltende zweiflügelige Tür, die die steil nach oben führende Treppe ins Dachgeschoss flankiert, besitzt ein Schloss aus dem Erbauungsjahr 1721.

Beim Abschlagen des alten Lehmputzes im Ständerwerk kamen die Initialen des Schreiners samt römischer Jahreszahl ans Tageslicht, der 1721 die Holzbalken setzte. Die sind heute inmitten der neu verputzen Zwischenwand unter einer Glasplatte sichtbar. Es mussten auch Dinge herausgerissen werden, so die Holzdielen des Dachbodens. "Die waren marode, da musste man aufpassen, dass man nicht eine Etage tiefer landete, wenn man darüber ging", berichtet Lydia Reschke.

Doch dafür gab der Boden etwas preis. Die Reschkes fanden einen holzwurmgeschädigten Kinderholzschuh. Aus Pappelholz gefertigt, mit Schnitzereien verziert und mit zwei handgeschmiedeten Nägeln versehen, versetzte er das Ehepaar in Erstaunen.

"Da nie etwas in all den Jahren seit der Erbauung des Hauses an dem Boden gemacht wurde, muss es ein Schuh sein, den ein Kind der damaligen Zeit dort verloren hat", so Lydia Reschke. "Kleiner Gruß aus dem 18. Jahrhundert", strahlt ihr Mann.