Sehnsucht nach Grünkohl und Wurst
Teil 2: Wie lebt es sich in Fernost? Und was entbehrt Rolf Kamper aus Willich dort vom Niederrhein am meisten?
Willich/Hongkong. "Hongkong ist ein guter Platz zum Arbeiten und Geld verdienen", sagt Rolf Kamper, der seit 2005 in der asiatischen Metropole lebt und arbeitet. Plätze zum Leben gebe es "natürlich angenehmere auf der Welt als diese hektische 8-Millionen-Mega-Urbanisation aus Beton und Asphalt". Eine Großstadt voller Hektik und Lärm, "hier ist 24 Stunden am Tag immer und überall was los. Man ist niemals irgendwo wirklich alleine."
Besonders unangenehm sei die "brutale feuchte Hitze" in den Sommermonaten und die latente Luftverschmutzung, die zum größten Teil von den riesigen Industrieansiedlungen im Pearl River Delta im angrenzenden Guangdong, Südchina, verursacht werde. "Das verleidet einem oft jegliche Outdoor-Aktivitäten."
Natürlich nennt der Willicher auch eine Reihe von Pluspunkten: Der Öffentliche Personen-Nahverkehr mit U-Bahnen, die zur Rush-Hour im 45-Sekunden-Takt fahren. Oder der Verzicht auf die Mehrwertsteuer und die vergleichsweise geringe persönliche Einkommenssteuer. "Dafür muss man sich um Krankenversicherung und Altersvorsorge komplett selber kümmern."
Angenehm seien beispielsweise die Ladenöffnungszeiten, 365 Tage im Jahr von morgens 9 bis abends 23 Uhr. Es gibt, so Kamper, in der Stadt fast nichts, was es nicht gibt - in mehr Shopping-Centern als in ganz Deutschland. "Das Centro Oberhausen würde hier im Vergleich eher als Kindergarten angesehen."
In den Supermärkten findet der 54-Jährige auch deutsche Produkte, "angefangen bei Kühne-Gurken, Rittersport-Schokolade, Diebels-Altbier, Haribo-Gummibärchen, deutsche Wurst, deutsches Schwarzbrot, sogar bayrische Sülze und Jacobs-Krönung."
Und was vermisst der gebürtige Willicher am meisten vom Niederrhein? "Das kühle Wetter - echt," schreibt er und setzt drei Ausrufezeichen hinter seine Aussage. Außerdem "die vergleichsweise Ruhe und den Platz auf dem flachen Kappesland. Den abendlichen Spaziergang durchs Dorf oder die Radtour übers Land am Wochenende." Und, fügt er an, "mein geliebtes Hannen-Alt, mit dem ich in Willich groß geworden bin, bevor die Brauerei nach Neuwerk abwanderte."
Schließlich vermisst der Mann in Fernost "eine große Portion Grünkohl mit Speck und Mettwurst. Das gibt es hier leider überhaupt nicht. Den kocht mir dann mein Vater (erstklassig!), wenn ich mal in Deutschland bin." Rolf Kamper und seine Frau Barbara zählen zu den rund 3000 Deutschen, die zurzeit in Hongkong leben.
"Es gibt diverse deutsche Kneipen und Restaurants, einen deutschen Stammtisch an jedem zweiten Dienstag im Monat." Außerdem die GSLG - German Speaking Ladies Group, in der Barbara Kamper aktiv ist. Sportliche Aktivitäten, Charity Sales, Betreuung von Neuankömmlingen - die Kampers kennen keine Einsamkeit oder Langeweile, "eher schon Freizeit-Stress".
Chinesisch hat der Willicher in Hongkong noch nicht gelernt. "Aber mit Englisch kommen wir hier ganz gut klar. Beim Rest helfen meine netten chinesischen Kollegen oder lokale Freunde aus."
Fiebern Sie eigentlich den Olympischen Spielen entgegen, Herr Kamper? "Fiebern wäre zu viel gesagt. Wir sind gespannt, wie die Chinesen das organisatorisch über die Bühne bringen." Ob sie tatsächlich die "brutale Luftverschmutzung im Großraum Beijing" zumindest für den Zeitraum der Spiele halbwegs begrenzen können, daran hat er Zweifel. Er wird’s aus größerer Nähe aus als wir betrachten können - der Willicher in Hongkong.