Schiefbahn: Mit Stipendium über den Teich
Die Schüler Florian Kania und Wen Tong absolvieren die elfte Klasse an Privatschulen in den Vereinigten Staaten.
Schiefbahn. Ein bisschen mulmig ist ihr schon zumute: "Ich werde meine Familie und mein Klavier vermissen", sagt die 15-jährige Wen Tong. Ihre Eltern kommen aus China, Wen wurde in Düsseldorf geboren, wohnt aber schon seit Jahren in Wekeln.
Doch das wird sich bald ändern, zumindest für eine gewisse Zeit: Gemeinsam mit dem Schiefbahner Florian Kania (16) fliegt sie am 21. August von Frankfurt aus an die Ostküste der USA.
Dort werden die beiden an Privatschulen die elfte Klasse absolvieren. "Klar ist es schade, dass ich meine Familie und meine Freunde ein Jahr nicht sehe, aber da muss ich jetzt durch", sagt Florian. Auch er ist schon beinahe reisefertig.
Bereits seit einigen Wochen hält er per E-Mail Kontakt zum 17-jährigen Duy Ahn aus Vietnam. Mit ihm wird er sich an der St. Andrew’s-Privatschule in Middletown im Bundesstaat Delaware ein Zimmer teilen.
Florian wird im dortigen Internat in kleinen Lerngruppen unterrichtet. Einige hundert Kilometer entfernt wird zum gleichen Zeitpunkt Wen Tong eine private Tagesschule in Charleston (South Carolina) besuchen und bei einer amerikanischen Familie wohnen. Noch kennt sie ihre amerikanischen Gastgeber nicht.
Ermöglicht hat den beiden die Tour über den Großen Teich die Organisation Assist, die seit 1969 zum Abbau europäischer Vorbehalte gegenüber den Vereinigten Staaten Stipendien an besonders gute Schüler und Schülerinnen vergibt.
Und die beiden Willicher kamen schon vor dem umfassenden Bewerbungspaket direkt in die engere Auswahl. Immerhin hat Wen die zehnte Klasse des Schiefbahner St. Bernhard-Gymnasiums gerade mit einem Notendurchschnitt von 1,08 abgeschlossen: elfmal die Eins, nur in Religion gab es ein Gut. Florian, der dort eine Parallelklasse besucht, bekam neunmal die Bestnote und drei Zweien.
Der Besuch der Privatschulen ist eine kostspielige Angelegenheit. Denn obwohl die beiden je nach Art der Förderung Stipendien von bis zu 40000 US-Dollar erhalten, müssen die Eltern so genannte Programmkosten in fünfstelliger Höhe dazu bezahlen, außerdem den Flug und das Taschengeld.
Die dreistufigen Auswahlverfahren und -tests hatten schon vor etwa einem Jahr begonnen. "Wir mussten uns unter anderem in englischer Sprache vorstellen, Referenzen unserer Lehrer vorlegen, weitere Englisch-Tests machen und zum Schluss ein Gespräch mit den Assist-Vertretern führen", erzählt Florian, der sich mit Wen Tong bei der Ankunft in den USA erst einmal fünf Tage in Boston aufhalten wird.
Dort kommen alle europäischen Assist-Stipendiaten zusammen und lernen sich kennen, ehe es dann weiter zu den Privatschulen geht.
Die beiden Willicher haben auch schon die ersten Kurse gebucht. Ein Pflichtfach ist natürlich die amerikanische Geschichte. Bei Wen Tong, die einmal Medizin studieren möchte, sind es zudem Mathe, Biologie, Englisch, Chemie und Kunst. Florian, der sich später einmal ein Jura-Studium vorstellen könnte, hat sich für Mathe, Englisch, Chinesisch und Rhetorik entschieden.
Und auch sportlich wollen sie aktiv sein: Er will American Football und Rudern ausprobieren, sie Tennis und bei der Leichtathletik ihre Sprintfähigkeiten auf den Kurzstrecken verbessern.
Teile der einheitlichen Schulkleidung haben sich die Jugendlichen auch schon besorgt. Die Jungen und Mädchen an den amerikanischen Privatschulen tragen größtenteils Hosen und Röcke aus erdfarbenem Khaki, dazu dunkelblaue Sakkos oder Blazer.
Die zwei Willicher freuen sich jedenfalls auf das große Abenteuer. Wie übrigens auch der zwölfjährige Niklas Kania, Florians kleiner Bruder: "Dann bekomme ich ein größeres Zimmer dazu und den Computer meines Bruders "