Theatermacher Familien-Bande und Fernbeziehung
Neersen · Intendant Jan Bodinus spricht über die nächste Festspielzeit und seinen Spagat zwischen Berlin und Neersen.
Er kann Nähe und Fernbeziehung. Er kann festhalten und neuerdings auch immer besser loslassen. Familienmensch Jan Bodinus, der Theatermacher, Neersens Schlossfestspiel-Intendant, steht vor seiner ersten Spielzeit ohne die langjährige „Mutter der Kompanie“. Das war für ihn über Jahre die konstante Doris Thiel. Die Geschäftsführerin des Festspielvereins ist nach 30 Jahren in den Ruhestand gegangen.
Bodinus mag diese familiäre Atmosphäre am Niederrhein. Das zeigt sich auch im diesjährigen Spielzeitmotto „Familien-Bande“. „Neersen nimmt mich positiv in Beschlag“, sagt Bodinus. Nicht nur in den dreieinhalb Monaten, in denen Proben, Premieren und Programm den Arbeitstagesrhythmus prägen, sondern auch ganzjährig mit den intensiven Vorbereitungen für die Spielzeit. Fern der Heimat Berlin, fern von Ehefrau und den Kindern, „die langsam flügge werden“, neue Welten entdecken. Auch ohne Familienanhang. Sie kennen das ja selbst von Kindesbeinen an. „Papa geht auf Reisen“ – wenn wieder ein Engagement rief, dessen Spielort nicht werktäglich mit Bahn oder Auto erreichbar war.
Das Festspiel-Ensemble, zusammengefügt nach Rollenanspruch und Teamgeist, ist in diesen Sommermonaten, „in denen Berlin eigentlich am schönsten ist“, auch eine Zweit-Familie für Bodinus: „Es sind viele Konstanten im Ensemble. Es haben sich Beziehungen untereinander aufgebaut.“ Es liege auch in seiner Verantwortung, betont Bodinus, für die Leute in dieser intensiven Zeit der Proben und Vorstellungen da zu sein. „Ich möchte, dass wir mit Spaß und Engagement hochqualifiziert und intensiv miteinander arbeiten. Eine gesunde Anforderung. Mit Druck kommt man nicht weit.“
Der Wahl-Berliner hat
ein Gespür für den Niederrhein
Anspruch mit Wohlfühl-Atmosphäre also – da ist beispielsweise das gemeinsame Kochen bei den Stadtwerken Willich ein wichtiger Faktor für die „verschworene Truppe“.
Die Region ist Bodinus vertraut. Der Wahl-Berliner, unter anderem in Krefeld aufgewachsen, hat ein Gespür für die Menschen am Niederrhein. Er mag die Mentalität der Region.
Fremdes kennenlernen, Vorbehalte abbauen, Verständnis wecken, Neugier auf andere erhalten – diese Gedanken spielen auch in das diesjährige Festspielprogramm hinein. Die Begegnung mit fremden Kulturen ist beispielsweise Thema in „Monsieur Claude und seine Töchter“, auf höchst unterhaltsame Art und Weise verarbeitet. „Theater hat die Chance für diesen kreativen und verantwortungsvollen Prozess“, sagt Jan Bodinus. Und als Regisseur und Intendant ergreife er sie mit aller Verantwortung.
Bleiben wir kurz beim Neersener Spielplan, den auch der „Mustergatte“ füllt. Ob er denn auch so viel von Pünktlichkeit und Ordnung halte wie sein zweiter Protagonist? Bodinus: „Ich werde immer pünktlicher. In meiner Jugend hatte ich das nicht so drauf.“
Und zur Ordnung fällt ihm der Satz ein, dass „aus Unordnung auch Kreatives wächst“. Allerdings, räumt er ein, „habe ich mich zu Hause gerade von 30, 40 Prozent meines Besitzstandes getrennt. Weniger ist mehr“. Weniger Ballast, Befreiung, Kopf frei für wirklich wichtige Dinge.
Auch schon für Neersen 2020. Denn obwohl Bodinus gerade „Dänische Delikatessen“ für das Neue Theater in Hannover inszeniert, kreisen schon erste Gedanken um die übernächste Spielzeit. Spielzeit zwei mit Svenja Küppers-Heinrich, die als neue Geschäftsführerin nun mehr und mehr in die Neersener Festspiel-Familie hineinwächst.