Klimaschutz in Willich Spannender Vortrag von Experte Volker Quaschning

Willich · Der Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Techniken und Wirtschaft in Berlin hielt einen aufrüttelnden und spannenden Vortrag zur Energiewende, gewürzt mit etwas beißender Ironie.

Volker Quaschning, Professor für regenerative Energiesysteme, sprach in der Motte des Neersener Schlosses.

Foto: Stadt Willich

Volker Quaschning gilt weithin als einer der größten Experten für regenerative Energiesysteme in Deutschland. Der Professor für diesen Bereich an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin ist ein klarer Befürworter einer schnellen und konsequenten Wende hin zu diesen Energieformen. Am Mittwoch war er zu Gast in der Motte des Neersener Schlosses und sprach dort vor rund 70 Gästen aus Wirtschaft und Politik zum Thema „Warum zaghafter Klimaschutz Wirtschaft und Wohlstand bedroht“.

Für manchen Beobachter mag diese Einschätzung, die im Titel mitschwingt, auf den ersten Blick überraschen, ist doch die öffentliche Meinung zum Klimaschutz vor allem, dass dieser die Wirtschaft bedrohe, da er Produktion teuer mache und damit die Wirtschaft schwäche. Quaschning aber legte auf seine gewohnt ironische und pointierte Art dar, dass diese Einschätzung nicht den Realitäten entspreche. Überdies seien die Risiken durch unterlassenen Klimaschutz extrem.

„Wir reden hier nicht von ein bisschen braunem Rasen im Juli oder August. Wir reden von verheerenden Auswirkungen, die unsere Lebensweise an und für sich elementar bedrohen. Wir reden von einer extremen Zunahme von Tagen mit lebensgefährlicher Hitze rund um den Äquator mit Migration als Folge, wir reden von Verteilungskämpfen um Wasser und andere Ressourcen und von Millionen Toten“, malt er ein deutliches, ein sehr mahnendes Bild von der Zukunft.

Doch nicht das macht er als primäre Begründung dafür aus, warum gerade unterlassener Klimaschutz teuer wäre. „Wir haben schon jetzt den Anschluss in vielen Technologien verpasst. In Photovoltaik, wo Deutschland einmal Weltmarktführer war, in Batterie- und ähnlichen Speichertechnologien oder in E-Mobilität hat heute China mit weitem Abstand die Führungsrolle inne. Und klar ist: In 30 Jahren werden wir mit dem Verkauf von Dieselmotoren oder Braunkohlebaggern auf dem Weltmarkt keinen müden Euro mehr erlösen“, mahnt der Experte.

Überdies würden die Energiekosten weiter steigen. Eine bezahlbare Energie sei mithin nur auf Basis regenerativer Energien möglich. „Selbst wenn wir keine höheren Steuern erheben, wird Kohle, Öl oder Gas immer teurer. Die günstigste Art, Strom zu erzeugen, ist längst PV. Auch Wind ist sehr preiswert. Damit sind die klimafreundlichsten Technologien auch die günstigsten. Wir kommen mit einem sehr kleinen Teil der Landfläche aus, müssen konsequent Dächer mit PV bestücken und entsprechend Speicher bauen. Die Technologien sind da, aber wir müssen anfangen“, betont er.

Dass vor allem Lobbyisten Schuld seien, dass der Klimaschutz nicht ausreichend vorangeht, bezweifelt er. „Natürlich wird viel Lobbyarbeit gemacht. Aber diese fällt auf fruchtbaren Boden. Wir sind in Deutschland sehr ängstlich. Das ist verständlich, denn wir haben heute einen hohen Wohlstand. Nach dem Krieg waren wir viel risikofreudiger, denn da hatten wir nichts zu verlieren“, betont er. 2020 habe Vietnam mehr PV-Leistung als Deutschland installiert. „Entsprechend haben es die Lobbyisten auch sehr leicht. Sie müssen nur eine bestehende Angst vor allem Neuen bestätigen. Lobbyisten könnten noch so intensiv agieren, sie könnten uns nie davon überzeugen, keine Smartphones mehr zu benutzen. Es braucht die passende Grundüberzeugung“, ist er überzeugt.

Dabei gehe es aber nicht primär um Strom. „Vor allem müssen wir die Verkehrs- und die Wärmewende hinbekommen. Der Strom macht nur 20 Prozent unseres Gesamtenergiebedarfs aus“, sagt Quaschning. Entsprechend wichtig seien E-Mobilität, der Ausbau von Fahrradverkehr und öffentlichem Nahverkehr und vor allem: die Wärmewende. „Hier wird der mit Abstand größte Teil der Endenergie verbraucht. Wir müssen massiv auf Wärmepumpen setzen. Das ist die mit Abstand effizienteste Möglichkeit, in der Zukunft zu heizen“, sagt der Experte.

Eine ganz klare Absage erteilt er Überlegungen, Wasserstoff zu Heizzwecken zu nutzen. „Das wird niemals wirtschaftlich sein. Hier ist die Effizienz so schlecht, dass es einfach viel zu teuer ist. Außerdem brauchen wir die Kapazitäten zur Erzeugung von Wasserstoff dringend für Anwendungen, wo er wirklich sinnvoll ist: in manchen Bereichen des Transports und für die Industrie“, sagt er. Ebenso verheerend fällt sein Urteil zu E-Fuels aus. „Wer das propagiert, will einfach nur alles lassen wie bisher, ohne wirklich zu verstehen, was dahinter steht. Auch hier ist die Effizienz so schlecht, dass sie langfristig extrem teuer sind“, ist sein Urteil.

Wichtig sei, zumal im Hinblick auf die aktuellen Finanzprobleme des Bundes, vor allem der Abbau fossiler Subventionen. „Wir leisten uns immer noch Milliardensubventionen in Technologien, bei denen eigentlich Einigkeit besteht, dass wir sie abwickeln müssen, wenn wir das Pariser Klimaziel noch halten wollen.“ Sonst drohe bis 2300 ein Anstieg des Meeresspiegels um bis zu 15 Meter, was für viele Metropolen der Welt den Untergang bedeuten würde. Quaschning malt fraglos Horrorszenarios, macht aber auch Mut. Noch sei nicht alles verloren, die Technologien und das Geld vorhanden. Was fehle, sei der Mut zur Änderung. Es müsse aber schnell gehandelt werden.