St. Töniser Zug lockt die Massen
Klappertüüüt — obwohl der Narrentreck einer der kleineren in der Geschichte war, ließen sich die Jecken die Stimmung nicht verderben.
St. Tönis. Die Freiwillige Feuerwehr Tönisvorst trauert: „Das Brauchtum wird zu Grabe getragen“, steht auf dem „Brauchtumsmausoleum“, das die Feuerwehrleute aus Vorst und St. Tönis hinter sich herziehen. Da liegt er in seinem Sarg — Prinz Karneval. Auch für das Schützenfest und den Karneval in Vorst gibt es ein Kreuz auf dem Handwagen. „Man kann den Eindruck haben, das Brauchtum stirbt“, sagt Florian Grabowsky, der wie die anderen 20 Feuerwehrleute als Zombie unterwegs ist. Aber was wäre Karneval ohne Hoffnung? Und so steht unter dem Mausoleum: „111 Jahre Karneval — wir sind nicht totzukriegen.“
Tatsächlich ist der Tulpensonntagszug in St. Tönis mit 600 Teilnehmern in diesem Jahr einer der kürzeren. „Weniger Teilnehmer, mehr Polizei“, bringt es ein Zuschauer stark verkürzt auf den Punkt. „Im Vorfeld wurde viel davon gesprochen, dass die Züge ausfallen“, sagt Dieter Hackstein, seit Ewigkeiten Zugleiter beim Tönisvorster Karnevalskomitee (TKK), „vermutlich haben deshalb einige erst gar kein Kostüm genäht.“ Auch die Sorge davor, dass „etwas passiert“ und die Konkurrenz durch den Zug in Kempen könnten Gründe sein, weshalb der St. Töniser Zug diesmal kleiner ausfiel, vermutet Hackstein.
Der Freude der Teilnehmer und der zahlreichen Jecken am Straßenrand tut das keinen Abbruch. Und die verlässlichen Größen des St. Töniser Straßenkarnevals sind sowieso dabei. Neben der Freiwilligen Feuerwehr ist das die Rheinische Landjugend, die als Hippi-Horde unterwegs ist. „Flowerpower to the Bauer“ ist das Motto.
Die mit 200 Teilnehmern größte Gruppe stellen wieder die sechsten Klassen des Michael-Ende-Gymnasiums. Als Raben und Katzen aus dem Ende-Buch „Der Wunschpunch“ sind die Schüler gekommen. Eltern und Lehrer sind Magier und Tintenfische. Auf dem Handwagen rühren Schulleiter Paul Birnbrich und Schulministerin Silvia Löhrmann als Pappmachéfiguren außerdem einen Feuerkessel mit giftiger Substanz. Das böse Wort „Reform“ ist zu lesen.
Wie jedes Jahr hat die Gruppe „Fies gelb“ einen aktuellen Bezug aufgegriffen: Als „VW Mief-Team“ ist der Freundeskreis unterwegs. „Wir machen bei VW den Auspuff sauber“, versprechen die Schornsteinfeger und schwingen ihre schwarzen Klobürsten. Ganz bunt hingegen ist die Sekundarschule gekommen. Rot, orange, gelb, grün, blau und lila ist der Regenbogen, in dem die Kinder stecken. Auch Wolken, Blitze, Regentropfen und die stellvertretende Schulleiterin Annette Stephan als Sonne sind dabei.
Zur Stadtrundfahrt durch lädt Erich Schützendorf ein. Der St. Töniser fährt mit einer Rikscha und zeigt „Sehenswürdigkeiten“: den „Cray Valley Central Park“, wohinter sich das geplante Gewerbegebiet verbirgt, das nicht vorankommt, und die verrottete Tankstelle als „Service Point Westring“. Außerdem: „Die lustigen Zugvögel“ aus Krefeld als Glücksbärchen, die Turnerschaft mit einem „guten Blatt seit 1861“, die Gurkentruppe als Minions und „Darios Leute“, die St. Tönis zurück in die Steinzeit versetzen und als „Flintstones“ verkleidet sind.