Stadtentwicklungskonzept Tönisvorst 2035 Es steckt mehr „Wir“ in Tönisvorst
Tönisvorst · Die erste Bürgerbeteiligung am Stadtentwicklungskonzept Tönisvorst 2035 ist ausgewertet. Es geht um Wohnen, Freizeit und Verkehr. Planer sehen ein Manko im „mentalen Zusammenwachsen“ der Ortsteile, zugleich eine Riesenchance, die Wahrnehmung zu stärken.
Tönisvorster mögen ihr Rad. Vor allem in der Freizeit sind sie gern damit unterwegs. Zur Arbeit weniger häufig. Zum Einkaufen hin und wieder.
Tönisvorster mögen ihre Stadtteile, auf jeden Fall ihren eigenen. Das Wir-Gefühl fürs große Ganze ist allerdings nicht ausgeprägt. Da sehen auswärtige Planer ein Manko und zugleich eine Riesenchance für neue Ansätze: Vorst und St. Tönis mental zusammenwachsen zu lassen - „das muss stärker in die Wahrnehmung“, sagt Planer Jörg Sterl.
Es ist ein Fazit aus dem Planungsbüro „post welters + partner“ aus Dortmund. Sterl und Kollegen haben Ideen und Impule aus dem ersten Mitwirkungsprozess zur „Stadtentwicklung Tönisvorst 2035“ analysiert und jetzt vorgestellt.
„Wie wollen wir zukünftig in unserer Stadt wohnen? Wie werden wir uns zukünftig in unserer Stadt fortbewegen? Wie werden wir einkaufen und wo unsere Freizeit verbringen? Was können wir unternehmen, um uns für den Klimawandel zu wappnen?“ Diesen Fragen gehen Stadtverwaltung, Politik und Dortmunder Planer seit Herbst 2019 auf den Grund.
Das Gros der mitwirkenden Bürger ist „50 plus“
Nicht ohne die Tönisvorster. Die wollen mittlerweile aktiv mitgestalten. Und das trifft nicht nur auf fast 900 der 3000 Bürger zu, denen - als Spiegelbild der Bevölkerung der Stadt – gezielt Fragebögen zugestellt worden waren.
821 Tönisvorster Bürger und Bürgerinnen haben sich vor einigen Wochen die Zeit genommen, um zugesandte Fragebögen zu ihrer Stadt und ihrem Stadtteil zu beantworten. Drei Viertel von ihnen leben in St. Tönis, ein Viertel hat den Wohnsitz Vorst angegeben. Frauen sind bei den Rücksendern mit 55 Prozent etwas stärker vertreten als Männer. Das Gros der Beantworter zählt zu der Generation „50 plus“. Das ist unter anderem zu berücksichtigen, wenn man sich Themen und Tendenzen in der Mitwirkung zum Stadtentwicklungskonzept Tönisvorst 2035 ansieht.
Wohnen ist ein großes Thema in Tönisvorst. Vor allem für die, die vier Wände suchen. Mehr Bauplätze, mehr bezahlbarer Wohnraum, mehr Wohnformen vom Single bis zur Groß- oder Mehrgenerationen-Variate werden in beiden Stadtteilen nachgefragt.
Die Tönisvorster gucken zugleich aber auch auf die freien und grünen Plätze in ihren Ortskernen. In St. Tönis zum Beispiel auf den Pastorswall, den Brauerei- und den Seulenhof, auch auf das Cray-Valley-Gelände. Sie wünschen sich insgesamt mehr Aufenthaltsqualität im Freien, mehr Außengastronomie, mehr Grün in den Innenstädten.
Aus Vorst kommen Ideen unter anderem für ein Mehrgenerationen-Wohnen – etwa im Alten Rathaus. Das ehemalige Fabrikgelände am Ortsausgang Richtung Kempen böte eine Chance auf Innenstadt-nahes Wohnen, so ein Vorschlag. So wie es bald rund um Haus Brempt verwirklicht wird.
Innenstadtverdichtung durch mehr Wohnraum, zugleich Freizeitflächen und „grüne“ Räume stärken – das wird nicht die einzige Herausforderung. Zielkonflikte wie diese gilt es zu lösen.
Positiv bewerten Tönisvorster die sportliche Möglichkeiten und die Vereinsangebote in ihrer Stadt. Positiv beurteilt werden auch die Einkaufsmöglichkeiten für Lebensmittel.
Was ihnen fehlt, sind ein Baumarkt, Bekleidungsgeschäfte für jüngere Menschen und ein Biomarkt.
Im Themenbereich Öffentlicher Personennahverkehr hat sich gezeigt, dass viele der Teilnehmer in der Fragebogenaktion keine Angaben gemacht haben. Die Nutzung des Autos ist für die meisten Normalität im Alltag.
Fuß- und Radverkehr sind aber auch sehr ausgeprägt. „Beim Radverkehr sehen die Bürger unglaublich viel Handlungsbedarf“, so Joachim Sterl und sein Kollege Benedikt Reitz. Zustand der Radwege, deren Beleuchtung, gefahrvolle Übergänge wurden vor allem auf der interaktiven Karte notiert. Ein Beispiel von vielen: Am Nordring fehlt ein Radweg.
Breitbandausbau auf der Wunsch- und auf der To-do-Liste
Fachbereichsleiter Jörg Friedenberg nahm unter anderem Bezug auf die Schlufftrasse zwischen Vorst und St. Tönis. Sie ist Bestandteil des Radwege-Konzeptes des Kreises Viersen. „Das werden wir angehen.“
Ebenso angegangen wird der Breitbandausbau, betonte auch Bürgermeister Thomas Goßen mit Blick auf den gerade vollzogenen Start im Kreisgebiet. Nach Kempen und Willich werden auch die Tönisvorster Außengebiete angebunden.
Klimaschutz ist bei den Tönisvorstern als Thema präsent. Sie sehen die Grünversorgung in der Stadt positiv, fordern aber auch das Pflanzen weiterer Straßenbäume, Begrünung von Kreisverkehren. „Dem eigenen Klimabewusstsein wird ein hoher Grad zugeteilt“, sagt Joachim Sterl. Das heißt: In der Selbstdarstellung sagt der Tönisvorster: Ich bin Klimaschützer.“ Gleichwohl sei zum Beispiel im Einsatz und Nutzen von regenerativen Energien (z.B. Photovoltaik auf dem eigenen Dach) noch Potenzial. Zwischen Anspruch und dem, was gemacht wird, sei ein Unterschied festzustellen, so die Planer.
Wasser im Zusammenhang mit Erholung und Freizeit ist für Tönisvorster ein Thema. So könnten sich Bürger an verschiedenen Stellen Wasserspiele vorstellen, etwa am Pastorswall. Und die Seen am Graverdyk haben sie im Blick.
Eine Freizeitachse zwischen Vorst und St. Tönis ist unter den Vorschlägen, mit Joggingstrecke oder Hundewiese, eine Apfelroute als Wanderweg, so wie etwa die bereits existierende Apfelschlemmertour anlegt ist. Das wäre ein weiterer Ansatzpunkt für mehr mentales Miteinander. Jedenfalls ein Stichwort für Phase zwei der Mitmach-Möglichkeiten für Tönisvorster (siehe Info-Kasten).