Tönisvorst Tönisvorsts Weg in die Zukunft
Tönisvorst · Analyse Die Stadt arbeitet an einem Konzept zur Stadtentwicklung. Aber es fehlen die Schwerpunkte.
Nach den Sommerferien soll es losgehen mit dem Stadtentwicklungskonzept. Interessierte Bürger sollen sich in Gesprächsrunden einbringen und gemeinsam mit Stadtplanern Ideen entwickeln, in welche Richtung die Stadt Tönisvorst gepusht werden soll. Solche Aktionen hat es schon in vielen Städten gegeben und oft sind die Bürger-Ideen bloß in der Schublade verschwunden, weil die Politik dann doch ihre eigenen Ideen umsetzen wollte. Es wäre aber gemein, ein solches Ende auch für Tönisvorst zu prognostizieren, bevor der Prozess überhaupt erst in Gang gekommen ist. Auf jeden Fall ist es lohnenswert, das Feld zu sondieren, welche Richtungen denn möglich sind.
Aktuell steht das Thema Klima im Vordergrund der allgemeinen Diskussion. Soll die Stadt klimaneutral werden? Tönisvorst war hier sehr schnell und hat im Stadtrat einen Bürgerantrag, den Klimanotstand zu erklären, einstimmig angenommen. Noch ist nicht abzusehen, welche Konsequenzen das nach sich ziehen wird. Bisher war Tönisvorst nicht in der ersten Reihe der Klimaschützer. Eine Baumsatzung wurde abgelehnt, Bäume werden eher als Kostenfaktor gesehen und vorsorglich abgeholzt, weil sie mit ihren Wurzeln irgendwelchen Leitungen in der Erde zu nahe kommen. Eine angedachte Klimasiedlung wurde nicht umgesetzt. Jetzt alles auf null? Möglich, aber schwer vorzustellen. Tönisvorst liegt an keinem Fluss oder See. Bäume im Stadtbild wären die einzige Möglichkeit, mehr Schatten und Feuchtigkeit in die Stadt zu holen, die Temperaturen bei Hitze erträglicher zu machen.
Ein Leitbild der Vergangenheit war immer die familienfreundliche Stadt. Richtig, die Stadt hat in Kindertagesstätten investiert und wird jetzt die Grundschulen beglücken. Aber was fehlt, ist günstiger Wohnraum – und günstige Grundstücke zum Bauen. Vorst-Nord und Schäferstraße sind umgesetzt, ein weiteres Baugebiet in Vorst steht an, aber ansonsten sollen nur noch Lücken im Stadtbild bebaut werden.
Neue Wohngebiete sind
nicht in Sicht
Ein neues Wohngebiet ist nicht in Sicht, neue Flächen sollen nicht mehr der Natur oder der Landwirtschaft genommen werden. Also der große Umbau: Wenn die Eigenheime der Eltern-Generation frei werden, zieht eine neue Generation dort ein. Die Stadt könnte den Umbau mit Knowhow und Geld unterstützen, Stichwort Grundsteuer B. Oder was ist von einer seniorengerechten Stadt zu halten? Tönisvorst hat im Kreis Viersen den höchsten Altersdurchschnitt. Also ein Umbau von Tönisvorst zum „Kurort“ mit Parks, Radwegen, wenig Autoverkehr und gutem öffentlichen Personennahverkehr, mehr als nur der bewährte Bürgerbus?
Das wäre dann vielleicht doch zu einseitig. Tönisvorst als Stadt der Kunst, mit einem Skulpturenpark wie in Viersen? Städtische Atelierräume für Studenten der Kunstakademie Düsseldorf? Oder Tönisvorst als Mekka der Architektur: Jeder Neubau wird von Architekten spektakulär geplant? Gehry und Ingenhoven-Tal nicht nur in Düsseldorf, sondern auch für die Provinz? Das wäre wahrscheinlich zu aufgesetzt, unbezahlbar und fände wohl keinen Rückhalt in der Bevölkerung. So etwas muss sich entwickeln, meistens sind es Persönlichkeiten einer Stadt, die solche Entwicklungen anstoßen. Man denke nur an Karl-Heinrich Müller, den Gründer des Museums Insel Hombroich bei Neuss.
Nicht so, dass es Menschen, die etwas in Bewegung bringen wollen, in Tönisvorst nicht gäbe. Mit dem neuen Vorstand des Werberings St. Tönis – jetzt St. Tönis erleben – kam so etwas wie Aufbruchstimmung in die Stadt. Noch ist man in der Ideen-Phase und ganz am Anfang. Man kann den Verantwortlichen nur toi, toi, toi wünschen.
Es fehlt an der Spitze eine
Person, die Visionen entwickelt
Sorgen macht eher das Rathaus, sowohl in der Politik, als auch in der Verwaltung. In der Stadtplanung sind Teile in den Kreis ausgelagert worden, vor Ort wurden zwei Fachbereichsleiter innerhalb kürzester Zeit verschlissen. Sie haben das Weite gesucht und arbeiten woanders. Vor Ort sind die Probleme geblieben. Und an der Spitze steht ein Jurist, sicherlich ein kluger Kopf, aber keiner, der Visionen entwickelt.
Im Stadtrat sieht es nicht besser aus. Die Harmonie zwischen den Fraktionen und der gemeinsame primäre Wille, für die Stadt und ihre Bewohner etwas zu tun, ist verraucht. Das Modell der Doppelspitze bei der CDU hat sich nicht bewährt. Sie steht bisher weder für starke Führung noch für moderne Arbeitsteilung. Das Klima im Stadtrat ist vergiftet. Über den politischen Konkurrenten wird lieber gelästert als miteinander geredet. Natürlich sorgt die Kommunalwahl am Horizont für Nervosität. Viele Bürger nerven diese Ränkespiele. Konkrete Sacharbeit ist die beste Garantie für die Politik, Populisten draußen zu halten. hb