Finanzen in Tönisvorst Was zur Haushaltssperre führte
Tönisvorst · Das prognostizierte Minus im Tönisvorster Haushalt wird wohl deutlich überschritten. Grund dafür ist auch ein Fehler bei der Berechnung der Flüchtlingskosten-Erstattung. Das sorgte für Unverständnis in der Politik.
Dass die von Kämmerin Nicole Waßen vor gut zwei Wochen verhängte Haushaltssperre unumgänglich ist, darin waren sich die Politiker im Tönisvorster Hauptausschuss weitestgehend einig – und beschlossen daher bei Enthaltung der CDU, dem Rat zu empfehlen, die Sperre in seiner Sitzung am Mittwoch, 11. September, zu bestätigen. Doch bis zur Ratssitzung möchten die Politiker weitergehende Informationen darüber, welche Projekte die Haushaltssperre konkret betreffen könnte. Unklar ist auch noch, ob der Stadtrat oder die jeweils zuständigen Fachausschüsse Ausnahmen von der Haushaltssperre ab einem Wert von 50 000 Euro genehmigen sollen. Unverständnis und einen kleinen Wutausbruch rief jedoch einer der Gründe für die Haushaltssperre hervor. Denn in der Verwaltung hatte man sich ordentlich verrechnet.
Doch der Reihe nach. Auf Basis der Budgetdaten vom 15. August erfolgte eine Hochrechnung zum Jahresende: Es zeichnete sich ab, dass der für 2024 geplante Fehlbetrag von 12,1 Millionen Euro mit voraussichtlich 15,2 Millionen um 3,1 Millionen Euro erheblich überschritten werde. Heißt: Das ohnehin schon eingeplante Minus droht, deutlich größer zu werden. Die Verschlechterung ergebe sich aufgrund erheblicher Einbußen auf der Einnahmeseite, so Kämmerin Nicole Waßen, die am 19. August mit sofortiger Wirkung eine Haushaltssperre verhängte – zum ersten Mal in ihrer Zeit als Kämmerin (seit 2006). Zuvor hatte es in Tönisvorst im Jahr 2002 zuletzt eine solche Sperre gegeben.
Bis Juni habe noch kein Grund zur Sorge bestanden, so Waßen. Lagen die Gewerbesteuerzahlungen im Juni noch etwa 100 000 Euro über dem Plan von 12,6 Millionen Euro, sank das prognostizierte Jahresergebnis auf 12,25 Millionen Euro. Auch die voraussichtliche Höhe der Einnahmen aus der Umsatz- und der Einkommensteuer musste noch einmal nach unten korrigiert werden. „Hier ergibt sich eine Mindereinnahme von voraussichtlich 1,8 Millionen Euro“, so die Verwaltung.
Für das größte Minus sorgen allerdings geringere Kostenerstattungen durch das Land für Flüchtlinge in Tönisvorst. Hinzu kommt, dass in der Stadtverwaltung falsch gerechnet wurde. Die zuständigen Fachbereichs- und Abteilungsleitungen sind inzwischen nicht mehr bei der Stadt beschäftigt.
Stadt war von anderen Beträgen für Geflüchtete ausgegangen
Bei der Planung war man davon ausgegangen, dass die Kopfpauschale pro geflüchtetem Menschen von Bund an Land in Höhe von 7500 Euro an die Kommune weitergeleitet wird. Dies sei aber nicht der Fall und führe zu einer Mindereinnahme von 1,8 Millionen Euro, so die Verwaltung. „Dazu wurden bei den Erstattungsbeträgen in der Haushaltsplanung 400 Personen zugrunde gelegt. Derzeit werden jedoch nur Leistungen für rund 170 Personen gezahlt, da nur Flüchtlinge berücksichtigt werden, über deren Asylantrag noch nicht abschließend entschieden ist. Für Flüchtlinge, deren Asylantrag abgelehnt wurde, die jedoch einen Duldungsstatus haben, wird keine Erstattungsleistung des Landes gewährt“ – sodass auch hier von einer Mindereinnahme von rund 2,1 Millionen Euro ausgegangen wird, so die Verwaltung weiter.
Außerdem wurden Pauschalzahlungen von 12 000 Euro für 162 Flüchtlinge einkalkuliert, obwohl diese voraussichtlich nur für 70 ausreisepflichtige Personen gezahlt wird. Damit ergibt sich auch hier ein Delta von circa 1,1 Millionen Euro. Auch wenn die Ausgaben aufgrund der gegenüber der Planung geringeren Anzahl von Flüchtlingen laut aktueller Prognose vom 30. August um 1,8 Millionen Euro niedriger ausfallen, ergebe sich noch ein erhöhter Fehlbedarf von 2,5 Millionen Euro, so die Verwaltung. Der Einnahmeausfall im Haushalt 2024 könne trotz sich abzeichnender Einsparungen auf der Ausgabenseite in Höhe von 3,1 Millionen Euro nicht vollständig kompensiert werden.
Alexander Decher (CDU) sagte, seine Fraktion habe Anfang des Jahres wissen wollen, wie viele Geflüchtete mit welchem Status es in Tönisvorst gebe. „Wie kann es sein, dass wir 400 Leute zugrunde legen und nur 170 erstattet bekommen?“ Kämmerin Nicole Waßen sagte, dass dies bei den Haushaltsplanungen für 2024 falsch berechnet worden sei, was auch am Personalmangel im entsprechenden Fachbereich liege. Durch eine Neubesetzung sei der Fehler dann ja aber aufgefallen und kommuniziert worden, so Waßen weiter. Zudem habe es ursprünglich geheißen, dass die Kommunen 7500 Euro pro Geflüchtetem bekämen, schließlich seien es aber nur 1013 Euro gewesen.
Ausbruch gegen
höhere Einnahmen
Britta Rohr (Grüne) fragte, wie man die Einnahmen erhöhen könne, und nannte als Beispiel Parkgebühren. Kämmerin Waßen brachte auch Geschwindigkeitskontrollen ins Spiel. Beides seien aber – wenn überhaupt – Maßnahmen, die sich nicht kurzfristig umsetzten ließen. „Es ist erschreckend, wie selbstverständlich hier über die Erhöhung der Einnahmequellen gesprochen wird“, sagte Alexander Decher. Auf keinen Fall dürfe der Bürger zur Kasse gebeten werden. Die Stadt habe nach wie vor „sensationelle Einnahmen“, man solle lieber auf die Ausgaben schauen. Angesichts der enormen Kostensteigerung beim Anbau an die GGS Corneliusstraße sagte er: „Das hat man mit Schwung in die Grütze gefahren.“ Zu einer Diskussion führte dieser unvermittelte Ausbruch aber nicht.