Willich: 40 Brötchen für eine Mark
Die Bäckerei Greis hat den Wechsel in die fünfte Generation vollzogen. Gefeiert wird am 3. September.
Willich. Ludwig Greis und sein Sohn und Konditormeister Thomas schliefen am frühen Nachmittag, immerhin beginnt für die beiden um ein Uhr morgens die Frühschicht. Derweil fand Johanna Greis Zeit, über die mittlerweile 160-jährige traditionsreiche Geschichte der Willicher Bäckerei Kuhlen-Greis zu erzählen.
Gerade wurde der Wechsel in die fünfte Generation vollzogen. Thomas (39) und Claudia (36) Greis haben die Bäckerei und Konditorei an der Kreuzstraße von ihren Eltern übernommen.
Begonnen hatte alles im Jahr 1850, als Peter Kuhlen seine erste Bäckerei im Schatten der Pfarrkirche gründete. Das geschah an just dieser Stelle, an der früheren Hochstraße 3, wo am Freitag, 3. September, von 10 bis 18.30 Uhr, die Geschäftsübernahme mit allerlei Überraschungen für die Kunden gefeiert werden soll.
Peter Kuhlen hatte elf Kinder, vier Söhne wurden Bäcker. Einer machte sich in Büderich selbstständig, drei in Willich. Ernst übernahm 1910 das Stammhaus; 1947 folgte Sohn Josef mit Ehefrau Agnes, und 1981 waren Johanna und Ludwig Greis an der Reihe.
Der heute 67-jährige Bäckermeister Ludwig Greis hatte mit 14Jahren seine Lehre bei Josef Kuhlen begonnen. Er lernte dabei nicht nur das Backhandwerk, sondern auch Johanna Kuhlen besser kennen. Am 1. Mai 1970 heirateten die beiden, übernahmen 1981 das Geschäft. So wurde aus der Bäckerei Kuhlen die Bäckerei und Konditorei Greis - das heutige Geschäft.
Aus den Erzählungen ihrer Großeltern und Eltern erinnerte sich Johanna Greis (60) noch an so manche schweren Zeiten: So an das Jahr 1928, als das Stahlwerk Becker schloss, viele Menschen keinen Job mehr hatten und Geld Mangelware war. Teilweise mussten die Waren unter Wert verkauft werden: "40 Brötchen kosteten damals eine Mark, für 48 Pfennig gab es ein Weißbrot." 1941 wurde das Stammhaus ausgebombt, nur die Backstube blieb nahezu unversehrt. Josef Kuhlen, der 93-jährig im April dieses Jahres verstarb, mietete nebenan für den Verkauf ein Ladenlokal und baute die Bäckerei wieder auf.
Früher wurden noch mit Pferd und Wagen die Backwaren zu den Außenbezirken gefahren oder morgens mit dem Rad die Brötchen ausgeteilt. Noch in den 50er Jahren bezahlten die Bauern ihre Brotrechnungen mit Getreide. Kühlschränke kannte man noch nicht: Stattdessen wurde die Ware mit Eisstangen aus der Hannen-Brauerei kalt gehalten, oder die mit Sahne gefüllten Nachspeisen in mit Eis und Salz gefüllten Zinkwannen gefroren.
"Uns haben die Kunden immer die Treue gehalten - und die Familie hat stets zusammen gehalten", sagt Johanna. Sie erinnert sich auch an eine besonders kritische Phase vor über 20 Jahren: "Als der große SB-Markt (heute Rewe) an der Grabenstraße aufmachte und der Platz vor der Kirche aufgerissen und verkehrsberuhigt ausgebaut wurde."
Johanna und Ludwig Greis werden noch einige Zeit im Geschäft ihrer Kinder mitarbeiten. Aktiv sind sie schon seit langem in Willicher Vereinen. Er gehört schon seit vier Jahrzehnten der Kolpingsfamilie an, marschiert im Schützenzug der "Königsblauen" mit und singt im Vereinigten Männerchor (VMC).
Johanna macht ebenfalls beim VMC mit: Sie ist zur Karnevalszeit im Elferrat oder gehört der Laienspielgruppe an. Bald beginnen die Proben für das 2011 geplante Lustspiel "Liebe, Lügen, Leberkäs’". Und wie es sich gehört, spielt Johanna dabei die Tochter eines Bäckers. Übrigens gibt es auch schon die 6. Generation: vor etwa sieben Monaten wurde Hanna Greis geboren...